Scheibes Glosse: Der Paketbote kommt …
Jeden Tag klingeln die Paketboten bei uns an der Tür – ständig ist irgendetwas abzugeben. Bislang konnten wir uns nie beklagen. Auch wenn es gefühlt zehn Mal so viele Lieferdienste gibt wie noch vor fünf Jahren, so kommen die bestellten Pakete meist pünktlich und zuverlässig an. Und so sind die beiden im Folgenden geschilderten Fälle als echte Ausnahmen zu betrachten.
Die aber exakt genau so wie beschrieben ihren Lauf genommen haben.
„Ich habe gleich Feierabend.“
Nach 16 Uhr klingelt es im Büro. Die Kolleginnen sind schon im Feierabend und ich gönne mir gerade ein kleines Powernapping – mit beiden Füßen auf dem Bürotisch. Trotzdem springe ich rasch auf, laufe die Treppe aus dem Keller ins Erdgeschoss hinauf und haste zur Eingangstür. Auf dem ganzen Weg dahin wird an der Klingel Sturm geklingelt.
Ich reiße die Tür auf, am Tor steht ein wild gestikulierender Paketbote mit meinem Paket in der Hand.
Ich rufe leicht erbost: „Ich renne doch schon. Sie brauchen doch nicht Sturm zu klingeln.“
Der Paketbote frech wie Bolle: „Dann müssen Sie eben schneller sein.“
Ich: „Ey, das ist ein großes Haus. Seien Sie froh, dass ich nicht aus dem Dach zur Tür laufen musste.“
Er: „Dann wäre ich schon weg gewesen und Sie hätten sich das Paket im Shop abholen müssen.“
Ich: „In dem Fall hätte ich mich bei Ihren Vorgesetzten gemeldet und darum gebeten, Ihnen die Haut in Streifen abzuziehen.“
Er: „Mir doch egal. Ich hab gleich Feierabend, ich will nach Hause.“
Ich: „Das ist doch nicht mein Problem.“
Er: „Wird es, wenn ich das nächste Mal gar nicht mehr klingele, sondern gleich aufschreibe, dass keiner da war.“
An dieser Stelle fehlen mir die Worte. Ich nehme mein Paket, unterschreibe auf dem digitalen Gerät und lasse den Boten ziehen. Die Zeit arbeitet für mich. Inzwischen ist die Fluktuation bei den Paketboten so hoch, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass ich den dreisten Knilch nie wiedersehen werde. Und bislang war das auch nicht der Fall.
„Bitte vor die Tür legen.“
Der nächste Paketbote klingelt, als ich gerade im Dach unseres Hauses unter der Dusche stehe. Hektisch und tropfend stolpere ich aus der Dusche, haste zum Fenster, reiße es auf und rufe herunter: „Legen Sie das Paket einfach vor die Tür – wie sonst auch.“
Tatsächlich ist unser Hauseingang überdacht. Viele Paketboten legen die Pakete vor der Tür ab, ob wir nun da sind oder nicht. Das ist gut so, denn gestohlen werden sie in unserer Nachbarschaft nicht – und vor Wind und Wetter sind sie auch geschützt.
So dachte ich nicht weiter an die Pakete. Ich trocknete mich ab, wickelte mich in ein Handtuch und wollte mit meiner Routine fortfahren, als ich im Haus Geräusche hörte. Es polterte und krachte.
Noch ins Handtuch gehüllt lief ich vorsichtig aus dem Dach die Treppen hinunter und suchte schon im Laufen nach einer möglichen Waffe, um einem etwaigen Einbrecher eine überziehen zu können.
Ich rief: „Ist da jemand?“
Ich hörte eine gesprochene Antwort, konnte aber kein Wort verstehen.
Im Wohnzimmer stellte sich mir dann der folgende Anblick dar: Der Paketbote war um das ganze Haus herumgelaufen, hatte die Treppe zu unserer Holzterrasse bestiegen und hier eine offene Schiebetür vorgefunden. Das Mückengitter klemmte aber unter der nicht ganz hinaufgezogenen Jalousie fest – und verhinderte so das finale Eindringen des Unbefugten. Der hatte aber bereits das Mückengitter so weit aufgebogen, dass er ein erstes Paket durch den engen Spalt geknautscht und ins Innere des Raumes befördert hatte. Ein zweites Paket war zu groß für den Spalt – der Mann versuchte es aber trotzdem weiter.
Ich schickte ihn unwirsch vondannen, bevor mir vor Schreck das Handtuch entgleiten konnte. Ganz egal, was die wahren Beweggründe des Mannes waren: DAS war mir dann doch ein wenig des Services zu viel. Bis in die Dusche müssen mir die Pakete nicht nachgetragen werden. (CS, Foto: Tanja M. Marotzke)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 68 (11/2019).
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