Mit Hebelwirkung: Senioren über 50 trainieren kostenfrei Aikido!
Was tun Senioren ab einem bestimmten Alter? Klagen sie über schmerzende Knochen, füttern sie die Enten im Park oder treffen sie sich zum Skat spielen? Nein. Viele nehmen die Gelegenheit wahr und finden sich an jedem Donnerstagabend ab 19 Uhr in der Turnhalle der Südgrundschule (Claszeile 56/57) ein – zum Aikido-Training. Dr. Peter Nawrot (73) bietet die Veranstaltung „Aikido 50+“ für alle Bürger über 50 Jahre völlig kostenfrei an – dafür sorgt eine Kooperation mit dem Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf.
Dr. Peter Nawrot: „Regelmäßige Bewegung ist wichtig, um die Agilität im Alter zu verbessern. Beim Aikido erhalten wir Motorik und Muskeln, schulen das Reaktionsvermögen, lernen die Grundlagen des einfachen, verletzungsfreien Fallens, verbessern die Koordination von Geist und Körper und aktivieren die Lebensenergie, die Ki-Kraft.“
Die Kursteilnehmer beim Aikido sind bunt gemischt. Einige sind gerade erst 50 Jahre alt geworden, andere gehen schon stramm auf die 80 zu. Die Männer sind in der Überzahl, aber auch Frauen sind mit dabei. Denn beim Aikido geht es nicht um die eigene Kraft. Stattdessen wird die Kraft des Gegenübers gegen ihn genutzt. Dies erlaubt es jedermann und eben auch jeder Frau, die Techniken des Aikido für sich zu verwenden.
Dr. Peter Nawrot, der seine Senioren auf ehrenamtlicher Basis unterrichtet: „Wir lehren hier den Stil des Tendoryu Aikido, der sich über große, weit ausholende weiche Bewegungen definiert, die aber doch eine gewisse Wirksamkeit haben. Aikido ist für uns kein Kampfsport, sondern eine Kampfkunst. Bei uns gibt es keine Wettkämpfe und auch keine Angriffstechniken. Das Besiegen eines anderen Menschen steht bei uns nicht im Fokus. Dennoch sind die Elemente des Aikido sehr wohl für die Selbstverteidigung zu verwenden.“
Beim Aikido weicht man einem Angreifer aus, nutzt dessen Energie gegen ihn und verwendet eine Vielzahl von Hebeln, die einen Aggressor zu Fall bringen, möchte er nicht die Unversehrtheit seiner Knochen riskieren.
Die Teilnehmer des Kurses tragen einen weißen Gi-Anzug, gehen barfuß auf die Matte und brauchen auch keinen Zahnschutz, keine Fäustlinge und keinen Schienbeinschutz. Viele tragen einen schwarzen Leinenrock, der zum Aikido dazugehört und ihm das Martialische nimmt. Dr. Peter Nawrot: „In manchen Stilrichtungen des Aikido darf nur der Ausbilder den Rock tragen. Oder die Teilnehmer, die ihn sich verdient haben, weil sie bestimmte Techniken beherrschen. Das ist bei uns nicht so. Hierarchien spielen bei uns keine Rolle. Anfänger können auch jederzeit zu uns im Training dazustoßen, sie werden gleich integriert und können alle Übungen sofort mitmachen. Wir erwarten auch keine durchtrainierten Sportler. Einzig und allein die Gehfähigkeit muss gegeben sein. Beim Aufwärmtraining und bei den Übungen macht jeder mit, wie er es kann. Niemand muss gleich zehn Liegestütze können. Viele sind aber überrascht, wie ein regelmäßiges Training ihre Kondition und Beweglichkeit wieder verbessert. Ich sage immer: Abends beim Training reparieren wir das, was wir unserem Körper tagsüber im Büro angetan haben.“
Ein Teilnehmer kommt jede Woche extra aus Buch angereist: „Wo gibt es denn sonst so ein Angebot in der Umgebung? Ich habe nur die Grundversorgung zur Verfügung, ich kann mir keinen Kurs für 50 Euro im Monat leisten.“
Viele Senioren trauen sich auch nicht, zum Aikido zu gehen. Sie haben mitunter Angst, sich zu blamieren oder die Techniken nicht richtig zu erlernen. Das Gute ist aber: Das Aufwärmtraining ist ein richtig gutes Workout, das den ganzen Körper dehnt und stärkt, sodass viele Wehwehchen wie Rückenschmerzen bald vergessen sind. Die Fallübungen helfen dabei, das richtige Hinfallen zu üben (ganz wichtig – ohne sich mit der Hand abzustützen, weil die bricht sehr schnell), was gerade im Alter eine besonders wichtige Erfahrung ist. Und die Aikido-Techniken werden immer zu zweit eingeübt, sodass man stets jemanden zur Seite hat, der den Stand, die Körperhaltung oder die Griffe erklären kann. Die geschmeidigen, fließenden Bewegungen des Aikido sind etwas ganz Besonderes. Und tatsächlich ist es viel leichter, einem Angreifer mit einer schnellen Bewegung auszuweichen, als sich ihm mit voller Kraft entgegenzustellen.
Dr. Peter Nawrot: „Aikido, das ist wie Tanzen – nur mit Selbstverteidigungscharakter.“
Faszinierend sind die Hebel und Haltetechniken, die oft das Resultat eines solchen „Tanzes“ sind – und einen möglichen Gegner unwiderruflich aus dem Gleichgewicht bringen oder ihn so kontrollieren, dass eine weitere Bewegung zu schmerzhaft wäre, um sie auszuführen.
Cotrainerin Dr. Constance McDaniel: „Beim Aikido warten wir auf Gelegenheiten. Wenn wir nah an einem Angreifer bleiben und ihn zum Tanz bitten, dann entstehen immer wieder neue Möglichkeiten, um rasch einen Hebel oder eine Haltetechnik anzuwenden. Wie gesagt: Im Training geht es aber nicht darum, einen Gegner zu besiegen, sondern allein darum, die eigene Form immer weiter zu verbessern. Das Lernen hört nie auf.“
Um die 20 Personen sind beim Aikido-Kurs „Aikido 50+“ mit dabei, es gibt noch freie Plätze.
Dr. Peter Nawrot bietet aber auch Aikido-Kurse für Kinder und für Anfänger an – dann aber gegen einen monatlichen Mitgliedspreis. Die Kurse finden u.a. in Zehlendorf im Sportstudio Nippon und in Tegel-Reinickendorf in der Sportschule Bushido statt. (Text/Fotos: CS)
Info: Tendoryu Aikido Berlin e.V., Dr. Peter Nawrot, Blücherstr. 25, 12207 Berlin, Tel.: 030-7122545, www.tendoryu-aikido.org
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 67 (10/2019).
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