Premiere im Schlosspark Theater: “Ruhe! Wir drehen!”

Das ist doch einmal ganz etwas Neues! Im Theaterstück „Ruhe! Wir drehen!“, das am 27. Oktober Premiere im Schlosspark Theater feierte, drehen die Schauspieler auf der Bühne nämlich einen Film. Und das komplette Publikum im Saal verwandelt sich plötzlich in eine Schar Komparsen, die für die Filmproduktion immer wieder einmal benötigt werden.
Die Geschichte, die hinter dem Stück „Ruhe! Wir drehen!“ steht, ist ebenfalls eine recht ungewöhnliche. Dieter Hallervorden war zu Besuch in Paris und schaute sich hier am 26. Februar 2017 das Stück „Silence, on tourne!“ von Patrick Haudecoeur und Gerald Sibleyras im Pariser Théâtre Fontaine an. Die Aufführung gefiel dem Intendanten des Berliner Schlosspark Theaters so sehr, dass er sich umgehend die deutschen Rechte sicherte und sich höchstpersönlich an die Übersetzung des Stoffes machte.
Und das hat sich gelohnt. Die Geschichte zum Stück, die geht so: Das Ensemble auf der Bühne möchte eigentlich nur eine Mordszene für einen geplanten Kinofilm in den Kasten bringen. Der Ehemann (Mario Ramos) der weiblichen Hauptrolle (Angelika Mann) soll seine untreue Frau erschießen, sobald sich aus dem Komparsenfundus endlich ein geeigneter Liebhaber finden lässt. Aber – oh weh – der Regisseur (Wolfgang Bahro) hat Liebeskummer, der Produzent (Karsten Speck) hat Spielschulden, die weibliche Nebenrolle (Annika Martens) geht über Leichen, die Aufnahmeleiterin (Anne Rathsfeld) ist die einzige mit Durchblick, der überforderte Regieassistent (Karsten Kramer) schreibt sein eigenes Drehbuch und die rumänische Maskenbildnerin (Susanna Capurso) versteht sowieso kein einziges Wort.
Regisseur Thomas Schendel hat ein höchst vergnügliches Stück auf die Bühne gebracht, das all das mitbringt, was man sich von einem schönen Komödien-Theaterabend erwartet. Und das ist eine schräge Geschichte, die aufgrund der Verwickliungen der ziemlich durchgeknallten Figuren ziemlich schnell eskaliert.
Das Publikum kommt jedenfalls aus dem Giggeln, Kichern, Kreischen, Prusten und Lachen nicht mehr heraus, wenn auf der Bühne jeder nur an sich denkt – und auf keinen Fall ans Arbeiten. Ein echter Knaller ist Mario Ramos als egomanischer Schauspieler, der von sich selbst glaubt, eine solch immens große Charisma-Auro zu haben, dass er automatisch alle anderen Schauspieler auf der Bühne überstrahlt und ihnen die Szene stiehlt – und von allen anderen doch immer wieder übersehen wird. Das ist denn auch die Essenz des Stücks: Die Selbstwahrnehmung der Figuren scheint so überhaupt rein gar nicht mit der Realität übereinzustimmen.
Sehr schön dazu passt auch die Szene, wenn Produzent Karsten Speck das neue Drehbuch von Regieassistent Karsten Kramer höchst detailliert in den allerhöchsten Tönen lobt – und es sich dann erst herausstellt, dass er es doch noch gar nicht bekommen hat.
Die größte Gaudi im Theatersaal ist es aber, wenn die Komparsen (= also die Zuschauer) im Saal für ihr Geld endlich einmal ein wenig mitarbeiten sollen, das Ergebnis dem kritischen Regisseur Wolfgang Bahro aber im Regelfall viel zu unterdurchschnittlich erscheint.
Nach dem finalen Vorhang fühlt man sich insgeheim im Vorurteil bestätigt, dass die Produktion eines Films exakt genau so auch in der Realität ablaufen wird. Und als Zuschauer mit Zwerchfell-Muskelkater kommt man nicht umhin, festzustellen, dass diese handverlesene Schauspielerschar auf der Schlosspark-Bühne perfekt zueinander passt und bei den Proben sicherlich den allergrößten Spaß hatte.
Zufrieden geht man nach Hause und wünscht sich häufiger so einen irren und erstmals auch interaktiven Irrsinn auf der Bühne. Weitere Vorstellungen stehen bis zum 8. Dezember auf dem Spielplan des Schlosspark Theaters (www.schlossparktheater.de). (Text: CS / Foto: DERDEHMEL/Urbschat)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 68 (11/2019).
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