Zehlendorf: Im Haus der Jugend
Wo können Jugendliche hingehen, wenn sie nicht Zuhause, bei den Freunden, am See oder im Park abhängen möchten? Dann bleibt immer noch der Jugendclub. In Steglitz-Zehlendorf bietet sich hier vor allem das „Haus der Jugend“ als Aufenthaltsort an. Die mehrstöckige Villa im Landhausstil aus dem Jahr 1910 liegt direkt an der Argentinischen Allee.
Sie bietet zahlreiche Räumlichkeiten für Aktivitäten aller Art. Wer durch das gemütliche Haus mit seiner jahrzehntealten Patina und der dazu passenden Atmosphäre streicht, stößt auf einen Kicker, einen Billard-Raum mit geräumigen Sofas, eine neu eingerichtete Schmöker-Bibliothek, Proberäume für Bands, eine große Küche, eine Bar und auf einen Theaterraum mit Bühne und Platz für viele Zuschauer. Viele Brettspiele helfen außerdem dabei, die Langeweile zu vertreiben. Und W-LAN gibt es auch. Wenn anscheinend nur ein sehr langsames.
Die Einrichtung, die vom Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf Berlin finanziert wird, leitet seit Januar 2015 Alexander Skoczowsky, der vorher schon als Honorarkraft mit an Bord war. Skoczowsky stammt aus Jena, hat Schlagzeug und Percussion in Düsseldorf studiert, ist 2007 nach Berlin gezogen und hat hier an der Alice Salomon Schule „Soziale Arbeit“ studiert.
Alexander Skoczowsky: „Das Haus der Jugend steht den Jugendlichen am Montag von 15 bis 21 Uhr und Dienstag bis Freitag von 16 bis 22 Uhr offen. In dieser Zeit können sie sich bei uns treffen, das Haus nutzen oder sich im Garten aufhalten. Gerade der Garten mit seinen 4.000 Quadratmetern Fläche in zwei Ebenen, einer riesigen Rotbuche und der direkten Anbindung an den Waldsee ist für viele Jugendliche ein perfekter Rückzugsort, um einfach nur ‚sein‘ zu können.“ Ab September wird es im Garten auch eine große Feuerstelle geben.
Das Haus der Jugend richtet sich an die Zielgruppe der Heranwachsenden zwischen 15 und 27 Jahren. Zuletzt konnte sich das Haus aber auch nach „unten hin“ öffnen. Etwa mit drei Töpfergruppen, bei denen bereits Kinder ab fünf Jahren mit dabei sind. Das ist dann die nächste Generation, die an das Haus der Jugend herangeführt wird und die sich später vielleicht einmal aktiv mit einbringt.
Alexander Skoczowsky: „Jede Jugendeinrichtung in unserem Bezirk hat seinen ganz eigenen Charakter, seinen Schwerpunkt. Eine Einrichtung kümmert sich etwa um den inklusiven Bereich, eine andere ist sportlich aufgestellt. Wir hingegen decken den musisch-kulturellen Bereich ab und kümmern uns auch um die politische Bildung. So sind wir auch Anlaufstelle für den internationalen Jugendaustausch mit Israel. Im Herbst kommt wieder eine Gruppe junger Israeli zu uns. Da planen wir viele gemeinsame Ausflüge.“
Die Kinder, die das Programm im Haus der Jugend nutzen möchten, können einen Gitarrenkurs absolvieren, sich in der Schreibwerkstatt engagieren, bei den Mädchen-Tanzgruppen mitmachen oder Teil einer Theatergruppe werden.
Alexander Skoczowsky: „Gerade das Theater ist bei uns ein ganz großes Thema. Die Gruppe ‚DDD‘ (‚Durchgedrehtes Drama‘) gibt es seit 15 Jahren. Sie hat im letzten Jahr das Stück ‚Ein Engel kommt nach Babylon‘ von Dürrenmatt aufgeführt. Ab dem 12. September proben sie wieder. Unsere neueste Theatergruppe, das sind die ‚Debüttanten‘. Sie beschäftigt sich mit dem klassischen Theater. Ihre Spezialität ist es, klassische Theaterstücke auf ihre Geschlechterrollen hin abzuklopfen. So haben sie sich ‚Effi Briest‘ von Fontane vorgenommen. Effi Briest ist in diesem Stück ganz in ihrer unterdrückten Frauenrolle gefangen. In der Neuinterpretation bricht Effi aus dieser Rolle aus und darf ganz Frau sein. Die Männer im Stück sind da plötzlich völlig überfordert von so viel entfesselter Weiblichkeit. Aktuell probt die Gruppe ‚Penthesilea‘ von Kleist. Das modifizierte Stück wird dann im Februar aufgeführt.“
„Wheels“ nennt sich ein internationales Theaterprojekt, zu dem immer wieder Schauspieler aus anderen Ländern wie Griechenland oder der Ukraine hinzustoßen. Und dann gibt es da noch das politische Recherchetheater „ARG28“ (benannt nach der Adresse vom Haus der Jugend). Alexander Skoczowsky: „Die Jugendlichen haben zuletzt die ganze Geschichte unseres Hauses recherchiert und sie in fünf Räumen wieder lebendig werden lassen. Die Besucher haben dann alle 15 Minuten den Raum gewechselt. Ich stand in der Halle und musste den Gong schlagen.“ Bald soll es ein Stück über Hate Speech im Internet und über Trolle geben. Ab September kommt auch noch ein Kindertheater zum Theaterangebot im Haus der Jugend hinzu.
In den Sommerferien gibt es übrigens immer auch das „Theater im Urlaub“ für Kinder zwischen 7 und 11 Jahren. Da werden die Kinder jeweils eine Woche lang von zwei Theaterpädagogen betreut. Alexander Skoczowsky: „Im Theater reifen die Jugendlichen enorm.“
Um dem musischen Charakter des Hauses gerecht zu werden, können junge Bands gern die Proberäume vor Ort nutzen – nur am Freitag nicht, weil es da oft Aufführungen, Lesungen und Konzerte gibt und die Geräusche aus dem Probekeller da stören könnten. Bei den Hauskonzerten dürfen die Jungmusiker aber zeigen, was sie können. Und im hauseigenen Studio haben sie anschließend sogar die Möglichkeit, mit der Unterstützung von Experten eine erste CD aufzunehmen.
Im Haus der Jugend ist demnach ordentlich etwas los. Und da war noch nicht einmal die Rede davon, dass die Jugendlichen auch den Garten bestellen, dass ein alter Bunker mit dem NABU zusammen zu einem Fledermaus-Rückzugsort ausgebaut werden soll und dass auf Elterninitiative hin ein Schülertreff mit Hausaufgabenbetreuung und Mittagessen vor Ort organisiert wurde.
Alexander Skoczowsky, der das Haus der Jugend mit drei Erziehern und einigen Honorarkräften am Laufen hält: „Der spezielle Reiz des Hauses ist, dass die Jugendlichen ein Mitspracherecht haben. Sie entwickeln so ein Verantwortungsgefühl und identifizieren sich. Wir bieten ihnen so viele Möglichkeiten, sich auszuprobieren. Und sie engagieren sich auch. 2003 standen wir kurz vor der Schließung. Da haben die Jugendlichen demonstriert für ihr Recht, dass ihnen der Bezirk so ein Angebot zur Verfügung stellt. Das hat Erfolg gehabt. Allerdings muss das Haus dringend saniert werden. Es sind Schindeln vom Dach gefallen, weswegen das Haus zurzeit eingezäunt ist.“
Aber erst einmal wird gefeiert. Am 31. August wird von 14 bis 22 Uhr das 70-jährige Jubiläum begangen – mit viel Show, Theater und Musik. Alexander Skoczowsky: „Viele alte Weggefährten, die früher einmal als Jugendliche bei uns waren, werden uns besuchen und mit auftreten. Außerdem wird es eine tolle Lightshow geben. (Text/Fotos: CS)
Info: Haus der Jugend Zehlendorf, Argentinische Allee 28, 14163 Berlin, Tel.: 030-80909913, www.hdjzehlendorf.de
Dieser Artikel wurde in „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 65 (8/2019) veröffentlicht.
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