Unsere Ärzte (5): Dr. Sibylle Poetter kennt sich aus mit Allergien
Der Frühling ist da. Die Pflanzen wachen nach einem viel zu kurzen Winter wieder auf. Sie lassen die Blätter sprießen und vor allem die Pollen fliegen. Insbesondere die millionenfach in der Luft schwebenden Pollen sorgen bei vielen Allergikern nun wieder für verstopfte Nasen, tränende Augen, fiepende Lungen und juckende Schleimhäute. (ANZEIGE)
Oft hilft nur noch der Weg zum Allergologen, um eine Linderung der lästigen Symptome in Angriff zu nehmen.
Dr. med Sibylle Poetter ist HNO-Ärztin und Allergologin. Sie praktiziert bereits seit 25 Jahren in Zehlendorf und betreibt eine große Praxis am Teltower Damm. Sie erklärt: „Die Allergien nehmen immer mehr zu. Sie haben sich in den letzten Jahren verzwanzigfacht. 15 Prozent der Erwachsenen in Deutschland haben inzwischen eine Allergie, wobei viele es noch gar nicht wissen, weil sie nie getestet wurden. Oft wird eine Allergie auch nicht ernstgenommen, weil die Symptome denen eines grippalen Infekts ähneln. Im Januar und Februar kommen tatsächlich noch immer Patienten zu mir, die gegen ihre Symptome Antibiotika verschrieben bekommen haben, obwohl sie eine Allergie haben. Die natürlich nicht wirken können, weil keine bakterielle Infektion vorliegt.“
Der allergische Notstand fällt in diesem Frühjahr übrigens besonders hoch aus. Das Wartezimmer der Ärztin ist voll, auch schnellt generell der Stand der Krankschreibungen aufgrund von Allergiesymptomen in die Höhe.
Sibylle Poetter, die selbst eine Kontaktallergie gegen Modeschmuck hat: „Wenn die Blütezeit der Erle und der Haselnuss in die Birkenblüte übergeht, ohne dass Schnee dazwischen fällt, wird es immer besonders schlimm mit der Allergie. Generell bricht der Frühling immer früher an. Der Boden und die Luft werden auch immer trockener, was den Pollenflug unterstützt. Der Regen, der die Pollen aus der Luft wäscht, fehlt. Vielleicht ist das ja schon ein Anzeichen des Klimawandels. Uns Ärzten fällt auf, dass die Blütezeit der Birke in jedem Jahr immer ein bis zwei Tage früher beginnt als in dem Jahr davor.“
Eine Allergie lässt sich zum Glück leicht diagnostizieren. Bei einem klassischen Prick-Hauttest werden die Allergene auf die Haut aufgebracht und „eingeprickt“ (eingepiekst). Die allergische Reaktion wird sichtbar durch eine mückenstichartige Anschwellung der Haut – so können die allergenen Stoffe leicht bestimmt werden. Ein RAST-Bluttest verfeinert das Ergebnis ggf. noch. So kann man eine Allergie auf Pollen, Katzen und Hunde, Hausstaub oder Schimmelpilze nachweisen.
Sibylle Poetter: „Die meisten meiner Patienten reagieren allergisch auf die Birke, auf Gräser und auf Hausstaub. Das sind die Top-Allergene. Gerade die Birke ist sehr gefährlich als Allergen, weil es hier viele Kreuzreaktionen mit ganz normalen Nahrungsmitteln geben kann.“
Bei der Allergie handelt es sich um eine fehlgeleitete Immunantwort des Körpers. Das Immunsystem reagiert demnach auf harmlose Dinge, die für den Körper eigentlich überhaupt nicht gefährlich sind – etwa auf Pflanzenpollen. Die Pollen werden dann so bekämpft, als würde es sich dabei um Bakterien oder Viren handeln.
Dr. med. Sibylle Poetter, die an der Freien Universität Berlin studiert und ihren Facharzt an der Uniklinik Berlin abgelegt hat: „Die einzig wirksame Behandlung der Ursachen ist die sogenannte Hyposensibilisierung. Hier werden die Allergene in aufbauender Konzentration unter die Haut gespritzt oder oral unter der Zunge aufgenommen. Der Körper wird so über eine Zeit von drei bis fünf Jahren vor der Allergie-Saison mit dem Allergen geimpft. Auf diese Weise wird eine Toleranz aufgebaut. Die Hyposensibilisierung wurde in den letzten Jahren immer weiter optimiert. Inzwischen werden nur noch die Eiweissstoffe gespritzt, die auch tatsächlich für die eigentliche Immunantwort benötigt werden. Das funktioniert nicht nur bei jungen Menschen sehr gut, sondern auch bei älteren. Die Wirkung der Hyposensibilisierung hält etwa zehn Jahre nach der Behandlung an, teilweise auch länger. Auch wenn die Symptome nicht immer ganz verschwinden, so treten sie doch deutlich reduziert auf. Einer meiner Patienten konnte so nach der Behandlung endlich wieder in seinem geliebten Cabrio fahren.“
Kommt es zu einer Allergie, so schütten die Schleimhautzellen u.a. Histamin aus. Dieser Stoff ist für die allergischen Reaktionen hauptverantwortlich, die alle Betroffenen so sehr fürchten und unter denen sie so sehr leiden. Die klassischen „Heuschnupfentabletten“ enthalten deswegen ein Antihistamin, was diesen Stoff neutralisiert.
Sibylle Poetter: „Ich höre immer wieder, dass die Allergiker ihre Antihistaminpillen wechseln möchten, weil sie plötzlich nicht mehr funktionieren. Das halte ich für einen Irrglauben, weil alle Produkte dieser Art auf dem gleichen Prinzip basieren und eine Pille so gut wirken sollte wie die andere. Damit sie aber wirksam funktionieren kann, muss man diese Medikamente regelmäßig und ohne Pause zu sich nehmen und schon frühzeitig damit beginnen, bevor die Allergie ihre eigentliche Hochphase erreicht hat. Manche Patienten, die sich selbst mit den frei verkäuflichen Medikamenten therapieren, nehmen die Pillen nur bei akuten Allergie-Symptomen ein und setzen sie wieder ab, sobald es einmal regnet. Wichtig ist, und das wird oft so nicht umgesetzt, dass die Patienten zusätzlich zu den Tabletten auch ein nasales Cortison als Entzündungshemmer verwenden, da eine Allergie immer auch mit entzündlichen Prozessen einhergeht.“
Und sie ergänzt: „Eine Allergie ist lästig, aber man kann sie in den Griff bekommen. Ein reines Durchhalten und Aushalten ist aber schlecht. Man muss die Allergie symptomatisch behandeln, um den sogenannten ‚Etagenwechsel‘ zu verhindern. Denn wenn aus einem Nasenkribbeln ein Asthma wird, dann gewinnt die Allergie eine ganz neue Gefährlichkeit.“
Als Wundermittel wurde zwischenzeitlich die so genannte „Cortisonspritze“ eingesetzt. Ein Cortison-Depot, in den Muskel gespritzt, sollte so während der Allergiezeit alle Symptome unterdrücken und eine allergiefreie Frühlings- oder Sommerzeit ermöglichen.
Dr. med Sibylle Poetter: „Von dieser Spritze rate ich ab. Sie kann Osteoporose beflügeln, zu Stoffwechselstörungen führen und mitunter einen Diabetes auslösen. Außerdem kaschiert sie leicht tatsächliche Entzündungen im Körper, die somit nicht mehr wahrgenommen werden. Im allergrößten Notfall ist es immer noch besser, kurzfristig eine Cortison-Tablette zu nehmen, die man schnell wieder absetzen kann.“
Ja, gibt es denn gar keine neuen Erkenntnisse und Methoden aus der Medizin, die dabei helfen könnten, Allergien dauerhaft zu bekämpfen?
Sibylle Poetter: „Wir wissen ja nicht einmal, warum die Häufigkeit der Allergien zurzeit so stark ansteigt. Die Theorie, dass wir in der Kindheit nicht mehr wie früher im Dreck spielen und unser Immunsystem demnach so gelangweilt ist, dass es sich andere Reize sucht, glaube ich nicht. Auffällig ist, dass es in der DDR kaum Allergien gab, die Häufigkeit mit der Wiedervereinigung aber zugenommen hat. Ich denke, das könnte damit zusammenhängen, dass wir uns mit neuer Nahrung aus dem Ausland immer neue Allergene ins Land holen, etwa über exotische Früchte. Andere sprechen den vielen Nahrungsergänzungsstoffen in unserer Ernährung eine entsprechende Trigger-Wirkung zu. Fakt ist bislang nur, dass Stress eine Allergie deutlich beflügeln kann.“
Dr. med. Sibylle Poetter, die in Dahlem geboren wurde, 1993 ihre erste Praxis an der Berliner Straße eröffnet hat und ihre aktuelle Praxis seit elf Jahren am Standort betreut: „Leider wird die Allergologie von der Gesundheitspolitik noch immer nicht besonders ernst genommen. Die Patienten müssen einen Teil ihrer Medikamente sogar selbst bezahlen. Das darf nicht sein. Patienten, die sich das nicht leisten können, verzichten dann lieber auf die Medikamente und begünstigen so ein spätes Asthma, dessen Behandlung deutlich teurer ist. Hinzu kommt, dass auch die Allergologen nicht gut bezahlt werden.“ (Text/Fotos: CS)
Info: HNO Dr. med. Sibylle Poetter, Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und Allergologie, Teltower Damm 26, 14169 Berlin, Tel.: 030 – 8118041, www.hno-zehlendorf.com
Dieser Artikel wurde in „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 62 (5/2019) veröffentlicht.
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