Premiere im Schlosspark Theater: Charlys Tante
Als letzte Premiere der 10. Spielzeit am Steglitzer Schlosspark Theater ging am 6. April das Stück „Charlys Tante“ an den Start. Der Klassiker von Brandon Thomas, der bereits 1892 uraufgeführt wurde und den viele noch von den Fernsehinterpretationen mit Peter Alexander (1963) oder Heinz Rühmann (1955) her kennen, brauchte allerdings dringend einen modernen Anstrich. Für den sorgt Regisseur René Heinersdorff.
Er lässt die beiden Studenten Jack (Johannes Hallervorden) und Charly (Daniel Wobetzky) nun im Gewächshaus des nahen Zoos einen Ort finden, der bei den schönen Mädchen mehr Eindruck schindet als ihre armseligen Studentenbuden.
Hausmeister Babbs (Markus Majowski) drückt beide Augen zu, wenn er dafür nur mit einigen teuren Import-Zigarren belohnt wird.
Das Drama nimmt seinen Lauf, als Jack und Charly sich zum ersten Mal in ihrem Leben wirklich verlieben – in die beiden türkischen Schwestern Aishe (Kim Zarah Langner) und Sema (Alice Zikeli). Ihre Herkunft ist denn auch der einzige Grund, warum selbst in unserer heutigen Zeit, in der das Stück mehr oder weniger deutlich spielt, eine „Anstandsdame“ benötigt wird. Denn Mustafa Spittigül (Aykut Kayacik), türkisches Familienoberhaupt und Papa der beiden flügge werdenden Schwestern, ist ebenso cholerisch wie auf die Ehre und Unberührtheit seiner beiden Küken bedacht. Und dabei wollen Jack und Charly doch so dringend den beiden angebeteten Damen ihre Liebe gestehen und ihnen einen Heiratsantrag machen.
Ein Glück, dass sich Charlys reiche Tante aus Brasilien („da, wo die Affen herkommen“) angemeldet hat. Sie würde doch eine perfekte Anstandsdame abgeben. Und auch einen Grund dafür, warum die beiden Studenten die Mädchen und ihren Vater zum Brunch in den Zoo einladen. Doch die Tante verspätet sich, der türkische Vater wird misstrauisch und das Zeitfenster schließt sich. Kurzerhand wird Hausmeister Babbs gezwungen, sich in Frauenklamotten zu werfen und mit hoher Fistelstimme zu sprechen. Das Chaos potenziert sich, als auch noch Charlys abgebranter Vater (Oliver Nitsche) und die echte Tante (Claudia Neidig) auf der Bildfläche erscheinen.
Die neue Version von „Charlys Tante“ weiß zu gefallen. Die Figuren sind wunderbar besetzt und jeder überzeugt auf der Bühne. So sehr Markus Majowski als tuntige Tante im Zigarrenwahn und Küßchen-Abstauber-Modus auch zu amüsieren weiß, der wahre König auf der Bühne ist bei diesem Stück der türkische Papa Mustafa Spittigül alias Aykut Kayacik: Er kann so herrlich böse gucken, von jetzt auf gleich an die Decke gehen und mordlüstern drohen: „Diese Hände haben schon mehr Leben ausgepüstet, als ihr euch vorstellen könnt.“ Aber auch er hat ein romantisches Herz und eben auch „Hände, die schon sooo viel Vergnügen geschenkt haben.“ Überhaupt steckt die moderne Fassung von „Charlys Tante“ voller Wortwitz, albernem Slapstick und unerwarteten Überraschungen (es passiert zur Pause hin, aber wir verraten nix).
Es gibt im Stück aber auch ein paar echte Längen. Wenn einmal wenig passiert, was die Handlung vorantreibt, so wird das auf der Bühne leider mit wildem Gerenne der Akteure kaschiert, die im Minutentakt von der Bühne laufen, um gleich wieder aufzutauchen. Da hätte man das Skript durchaus etwas kürzen können.
Aber auch, wenn es manchmal zu albern wird und Papa Spittigül zu oft den bösen Blick aufsetzt – dem Publikum hat es gefallen. Es wurde gelacht und gejuchzt, herzhaft geklatscht und leise gekichert. So ausgelassen hat man das verwöhnte Steglitz-Zehlendorfer Publikum schon lange nicht mehr erlebt. Das Stück ist noch im Mai, Juni und August zu sehen. (Text: CS / Foto: ConzeptZone.de)
Info: Schlosspark Theater, Schloßstr. 48, 12165 Berlin, Tel.: 030-7895667-100, www.schlosspark-theater.de
Dieser Artikel wurde in „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 61 (4/2019) veröffentlicht.
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