Scheibes schräge Glosse: Krasse Pöbelattacke!

Kaum trete ich morgens aus dem Haus, da rennt mir auch schon die erste Katze vor die Füße. Wer um alles in der Welt ist eigentlich auf die glorreiche Idee gekommen, dass man diese bis zu den Haarspitzen gemästeten Kuschel-Raubtiere einfach vor die Tür setzen kann, wo sie umgehend alles an Vögeln, Eichhörnchen, Eidechsen und Mäusen umbringen, was ihnen vor die messerscharfen Krallen kommt?
Nur weil die sozial inkompatiblen Egoisten auf vier Pfoten aus Versehen mit einem Orientierungssinn ausgestattet sind, der sie nach einer mordlüsternen Nacht zum Guten-Morgen-Fresschen wieder nach Hause führt, darf man sie doch nicht auf die Reste des Biotops loslassen, das wir im Garten noch bestaunen dürfen. Wäre mein immer hungriges Meerschweinchen mit mehr Orientierung ausgestattet, würde ich es doch auch nicht ohne Leine und mit gewetzten Nagezähnen auf den englischen Rasen meines Nachbarn hetzen. Oder?
Kaum trete ich auf die Straße, um zu meinem Auto zu gelangen, da zischt ohne Licht und in dunklen Klamotten ein Radfahrer an mir vorbei. Ich rette mich mit einem beherzten Sprung in den Graben und sehe im Licht der Laterne gerade noch einen mir entgegengestreckten Mittelfinger im Dunkel verschwinden. Diese Radfahrer sind in jeder 30er-Zone mit so viel Tempo unterwegs, dass jeder Düsenjet vor Ehrfurcht einen Looping fliegt. Wer hat diese Verkehrsregel-Legastheniker eigentlich auf unseren Asphalt gelassen? Da können die Radler bei ihren Rädern nicht einmal bis vier zählen – und denken schon, ihnen gehört die ganze Straße. Ich wette, in dem ganzen Schweiß, den die Radfahrer radelnd in der Stadt verdunsten lassen, stecken mehr Feinstaubpartikel als in den Ausdünstungen eines mit Schweröl fahrenden Kreuzfahrtschiffs.
Kaum sitze ich im Auto, höre ich in den Nachrichten, dass es Überlegungen gibt, die Höchstgeschwindigkeit auf deutschen Autobahnen auf 130 Stundenkilometer zu beschränken. Echt jetzt? Ich dachte die ganze Zeit, 130 wäre die Mindestgeschwindigkeit, um überhaupt mit dem Sportwagen auf die Autobahn zu dürfen? Ein richtig entspanntes Reisegefühl tritt doch erst so bei 160 Stundenkilometern ein. Würde ich langsamer fahren, dann könnte ich mir doch gleich vier Schildkröten unter die Achsen knoten lassen. Nur bei ordentlich Tempo kommt man doch auch zeitnah irgendwo an. Sonst könnte ich ja gleich ins Flugzeug steigen. Da verbrauche ich dann ein Vielfaches vom Sprit (vor allem dann, wenn vor der Landung noch ein paar Badewannen Kerosin abgelassen werden), gebe aber dank der vielen Schnäppchenangebote nur einen Bruchteil des Geldes aus und bin auch noch schneller am Ziel.
Kaum denke ich darüber nach, da fällt mir auf, dass ich dann ja am Ziel gar kein Auto zur Verfügung hätte. Dann müsste ich ja auf den öffentlichen Nahverkehr zurückgreifen. Dabei wissen wir doch alle, dass in der Bahn ein Großteil sämtlicher Gewaltverbrechen stattfindet. Da lebe ich ständig mit der Gefahr, einer Gruppe Testosteron-trunkener Raufbolde mit dem IQ einer schielenden Amöbe den falschen missbilligenden Blick zuzuwerfen – und diesen Blick mit einer zerplatzten Niere zu bezahlen. Ganz zu schweigen vom zu engen Körperkontakt zum Sitznachbarn, der seit Monaten keine Badewanne mehr von innen gesehen hat, und von den Bettelversuchen des mindertalentierten Akrobaten, der Klimmzüge an den Haltegriffen macht und dafür auch noch mit klingender Münze bezahlt werden möchte.
Kaum fahre ich weiter durch die Stadt, düse ich an den ersten Graffiti vorbei. Halt, Graffiti, das sind ja die mit Talent gesprühten Bilder, die einem kurz ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Ich meine aber die „Tags“, die von den schrumpfhodrigen Nachfahren Inzucht-geplagter Neandertaler auf teuer vom Steuerzahler bezahlte Schallschutzwände, frisch getünchte Mauern oder neu aufgestellte Sitzbänke für Rentner gekritzelt wurden. Schnell hingeschlurte Schriftzüge für die Ewigkeit, die beweisen, dass es bei der Rechtschreibung nicht mal für die erste Klasse gereicht hat.
Upps, habe ich das jetzt nicht nur gedacht, sondern etwa laut ausgesprochen? Hatte ich etwa meinen Political-correctness-Gedankenfilter nicht an? Dann kann ich mich nur noch so retten: Alles gelogen, ich habe gar kein Meerschweinchen! (Carsten Scheibe, Foto: Tanja M. Marotzke)
Seitenabrufe seit 25.03.2019:
Sie haben eine Artikelidee oder würden gern eine Anzeige buchen? Melden Sie sich unter 03322-5008-0 oder schreiben eine Mail an info@zehlendorfaktuell.de.
Anzeige
