Scheibes Kolumne: Geldfresserchen & Pickelmilbe
In der freien Natur sind immer weniger Insekten und Kleintiere zu finden. Das ist kein Wunder, weiß Käferexperte Professor Doktor Scheibe. Unbemerkt von den Menschen kam es aufgrund des hohen Evolutionsdrucks zu einer mutativen Artenexplosion. Die Kerbtiere haben es in kürzester Zeit geschafft, sich in unserer zivilisierten Welt komplett neue Nischen zu erobern. Wenn man nur intensiv genug mit Lupe und Spürsinn auf die Suche geht, lassen sich viele neue Arten finden.
Dabei fällt auf, dass viele moderne „Zivilisationskrankeiten“ nur Ausdruck der Kerbtier-Aktivitäten sind.
Da gibt es etwa das Geldfresserchen. Dabei handelt es sich um sehr flache und gut gepanzerte Käfer, die gern in den hinteren Taschen bevorzugt von Jeans-Hosen leben. Hier ernähren sie sich nachtaktiv von Geldscheinen, die tagsüber unachtsam in die Taschen gesteckt wurden. Ein kompletter Schein wird dabei oft in nur einer Nacht weggeputzt, sodass es am Morgen den Anschein hat, als wäre er nie dagewesen. Befallene Menschen erwähnen am Morgen oft: „Ich hätte schwören können, dass ich noch einen Fünfer in der Hosentasche hatte.“ Die Larven des Käfers ernähren sich von Münzen, die komplett aufgenommen und dann mit Magensäure zerlegt werden. Das Geldfresserchen gilt als Schädling, weil das Tierchen die Wirtschaftskraft negativ beeinflusst. Erste Meldungen lassen befürchten, dass das Geldfresserchen auch das Portemonnaie als Lebensraum entdeckt hat.
Eher lästig ist die Gemeine Pickelmilbe, die ebenfalls nachtaktiv ist. Sie bevorzugt weibliche Menschenwirte und ernährt sich von Schminkeresten, Puder und Cremes vor allem auf exponierten Hautflächen. Alle paar Tage pflanzt die Milbe mit einem dünnen Stachel ein einzelnes Ei in die Gesichtshaut. Der menschliche Körper reagiert allergisch auf diesen Vermehrungswunsch – und lässt einen Pickel sprießen.
In fast jedem Haushalt ist der Nahtroller zu finden. Das ist eine Mottenart, dessen Falter eher von unscheinbarem Aussehen sind. Die Motten sind etwa einen halben Zentimeter groß, grau gefärbt, und vielen anderen Nachtfaltern sehr ähnlich. Die Raupen entwickeln sich im Kleiderschrank. Hier suchen sie gezielt die Naht von Pullovern, T-Shirts und Hosen auf – und spinnen sich hier ein. Dabei rollen sie die Naht ein bis zwei Mal ein. Die befallenen Kleidungsstücke erwecken den Anschein, als wären sie über Nacht ein bis zwei Größen enger geworden. “Gestern hat mir das Kleid doch noch gepasst“, hört man befallene Menschen erstaunt ausrufen, die nicht ahnen, dass sie ihren Kleiderschrank mit einer neuen Insektenart teilen.
Für komplett verzweifelte Hausbewohner sorgt der Nahtroller, wenn er denn zusammen mit dem gefährlichen Zuckerwurm auftritt. Der Zuckerwurm hat einen komplizierten Lebenszyklus. Er wächst in Tümpeln und Gartenteichen heran, infiziert trinkende Hunde und befällt so schließlich den Menschen. Hier sucht er sich seinen Weg ins Gehirn und verändert das Verhalten des Wirts. Der wird abends beim Fernsehschauen dazu gezwungen, maßlos Chips, Schokolade, Kekse und andere Süßigkeiten zu konsumieren – oft gegen den eigenen erklärten Willen. Der Zuckerwurm braucht die Kohlenhydrate, Fette und Salze zur eigenen Entwicklung. Die Ei-Depots, die der Zuckerwurm vor allem in der Körpermitte des Wirts anlegt, erwecken den Anschein stark angeschwollener Bäuche.
Vor allem in Kneipen ist das Ethanoli zu finden. Das Rüsseltier verstoffwechselt Restzucker in Bier und Cocktails besser als Hefe und produziert dabei als Abfallprodukt reinen Alkohol. Massenvorkommen des fast transparenten und vom Menschenauge als Schlieren am Glasrand wahrgenommenen Ethanoli erhöhen somit den Alkoholgehalt in vielen Kneipengetränken und sorgen dafür, dass der Gast weit mehr Promille Alkohol im Blut aufweist, als er dies nach seiner eigenen mathematischen Berechnung haben dürfte. Der Satz: „Eigendlisch gann isch nach schwei Bier noch fahrn“ ist in diesem Zusammenhang oft zu hören.
Gerade die Journalisten haben große Angst vor einem Schreckgespenst auf sechs Beinen. Die Rede ist vom Gefräßigen Buchstabentod, der sich von schwarzem Toner ernäh t un auf d r Belichtung einheit vo Laserdru kern lebt. Hi r fris t er in Rekordtempo n r di schwarz F rbe von einzeln n Buchstab n auf. (CS, Foto: T. Marotzke)
Dieser Artikel wurde in „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 57 (12/2018) veröffentlicht.
Seitenabrufe seit 23.02.2019:
Sie haben eine Artikelidee oder würden gern eine Anzeige buchen? Melden Sie sich unter 03322-5008-0 oder schreiben eine Mail an info@zehlendorfaktuell.de.
Anzeige