Scheibes Kolumne: Mein allererstes Auto
Mein allererstes Auto, das war ein feuerroter VW Derby. Natürlich kein Neuwagen, sondern ein gebrauchter. Damals war ich gerade frische 19 Jahre alt und wollte mit dem Auto zur Uni fahren. Das Auto war allerdings so gebraucht, dass gleich auf der ersten Fahrt zur Vorlesung unterwegs der Auspuff abfiel. Ich schleifte ihn noch etwa hundert Meter weit mit, bevor er auf einer Kreuzung entgültig den Abgang machte.
Da ich von Autos weder heute noch damals eine Ahnung hatte, kratzte ich mir kurz am Kopf, lud den Auspuff ein und fuhr einfach weiter. Zur Vorlesung kam ich natürlich viel zu spät. Es war nur noch ein einziger Platz neben einem furchtbar grimmig dreinschauenden Pseudo-Psychopathen frei. Das wurde dann mein bester Freund während der Uni-Zeit.
In der Studentenzeit wurde ich von vielen Mitstudenten geliebt. Nicht (nur), weil ich so gut aussah, sondern vor allem, weil ich der einzige war, der ein Auto hatte. Die Institute lagen weit auseinander und waren zu Fuß bei einem perfekt aufeinander abgestimmten Stundenplan nur mit sehr viel Stress zu erreichen. Also hatte ich immer das Auto voll, wenn es zu einem neuen Vorlesungsort ging.
Einmal gönnten wir uns alle eine Pause und fuhren zu einem weit abgelegenen Sportpark, um Squash zu spielen. Mitten im Spiel erwischte mich ein Hexenschuss – und ich konnte mich nicht mehr bewegen. Da Wärme hilft, setzte ich mich in die Sauna. Zusammen mit all meinen Freunden, die mir den Rücken rubbelten und alle paar Minuten fragten, ob es denn langsam besser werden würde. Kein Wunder – wir mussten dringend wieder zurück in die Uni und nur ich hatte einen Führerschein.
In der Studentenzeit wurde viel geraucht, vor allem auch in meinem Auto. So müffelte es bestimmt wie ein Aschenbecher. Krass war aber auch, dass sich irgendwie alle Feuerzeuge in diesem armen Auto ansammelten. Einmal brachte ich es in die Werkstatt. Und bekam am Ende neben der Rechnung auch eine Tüte mit etwa 50 Feuerzeugen überreicht, die der KFZ-Experte aus dem Handschuhfach und unter den Sitzen hervorgekramt hatte.
Richtig sorgsam ging ich leider nicht mit dem Auto um, es war immer ein reiner Gebrauchsgegenstand, der mich komfortabel von A nach B bringen sollte. Und so machte ich mir keinen großen Kopf, als ich feststellen musste, dass meine Tankanzeige nicht mehr richtig funktionierte. Schließlich hatte ich es immer irgendwie im Gespür, sobald der letzte Tropfen durch den Motor zischte und es an der Zeit war, zur Tankstelle zu fahren. Nur einmal versagte dieses Gefühl für den tatsächlichen Tankfüllstand – als ich abends meine kranke Frau durch das nächtliche Berlin spazierenfahren wollte und wir gerade mitten durch den dunklen Grunewald schwebten, als das Auto am Straßenrand liegenblieb – und wir viele Kilometer nach Hause laufen mussten. Was der Gesundheit meiner in mehrfacher Hinsicht verschnupften Ehefrau nicht gut tat.
Um eine Wiederholung dieser Ereignisse zu vermeiden, packte ich mir fortan einen Reservekanister mit Benzin in den Kofferraum. Eines Tages fuhren wir – noch vor der Wiedervereinigung – mit Freunden in die alte DDR. Mitten im Braunkohlegebiet wollte ich den Kumpeln zeigen, wo meine Uroma gelebt hat und wo ich meinen Rekord von 56 an nur einem Tag verspeisten Eiskugeln eingestellt hatte. Womit ich nicht gerechnet hatte: Im Land der Sorben hatte am Wochenende keine einzige Tankstelle offen – und so liefen wir irgendwo im Nirgendwo zwischen Görlitz und Niesky leer. Zum Glück war ja der Reservekanister mit an Bord. Nur leider gab es keine Tülle dazu, keinen Einfüllstutzen. Und so musste ich mit den blanken Händen einen Trichter bauen, damit die Freunde das Benzin in den Tank kippen konnten. Was haben die Hände danach gestunken.
Einmal habe ich in dem roten Auto sogar geschlafen. Mitten auf der Autobahn von Eschwege nach Berlin. Morgens um drei. Im einsetzenden Tiefschnee. Da ging nichts mehr. Auf der linken Spur schlafen, wo sonst 130 km/h gefahren wird, und auf den Schneepflug warten, das war schon ein Abenteuer. Irgendwann weckte mich dann der Lastwagen hinter mir mit seiner Hupe – und es ging weiter. (CS)
Dieser Artikel wurde in „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 56 (11/2018) veröffentlicht.
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