Zehlendorf: Alte Rassen bewahren

Viele Zehlendorfer kümmern sich zuhause vielleicht noch um ein Kaninchen als Haustier. Bei Hühnern, Gänsen oder Enten hört der Spaß aber bereits auf. Diese früheren Nutztiere werden in der Stadt nur noch ganz selten gehalten. Umso wichtiger ist es für den Kleintierzüchterverein 2002 e.V. aus Zehlendorf, in die Bresche zu springen.
Martin Buske (77), 1. Vorsitzender des Vereins und studierter Biologe der Humboldt-Universität: „Früher wurden die Kleintiere oft gehalten, um Fleisch oder Eier zu gewinnen. Heute ist es bedeutsamer für uns, die alten Rassen zu erhalten, damit sie nicht aussterben. Das ist wichtig für die Artenvielfalt und die Biodiversität.“
Im Verein, der bereits seit 102 Jahren existiert, sind zurzeit noch 24 Mitglieder engagiert. Sie sind alle schon im fortgeschrittenen Alter. Dem Verein fällt es schwer, jungen Nachwuchs zu begeistern. Damit ist der Zehlendorfer Kleintierzüchterverein nicht alleine: Das geht auch anderen Zuchtvereinen im Umland so.
Martin Buske: „Die Probleme, mit denen Kleintierzüchter heutzutage konfrontiert werden, die habe ich ja am eigenen Leib feststellen können. Ich bin seit 2003 im Verein engagiert und wollte eigentlich Zuhause in Kleinmachnow Zwerghühner halten und züchten. Die Zwerghühner krähen nun einmal ganz gern. Das gab sofort Ärger mit den Nachbarn, da war eine Verständigung nicht möglich. Zum Glück können wir in der Sachtlebenstraße ein 3500 Quadratmeter großes Areal für uns nutzen, das wir vom Bezirksamt gepachtet haben. Das Gelände ist in neun Parzellen und in ein Ziegengehege aufgeteilt. Viele Züchter, die hier vor Ort Unterschlupf für ihre Tiere gefunden haben, hatten Ärger mit ihren Nachbarn – wegen der Lärm- und Geruchsbelästigung.“
Martin Buske findet es schade, dass die Kleintierzüchter so wenig Unterstützung erfahren: „Die Leute wissen doch heute gar nichts mehr über unsere Haus- und Nutztiere von früher. Heute kann doch niemand mehr eine Ente von einer Gans unterscheiden – oder ein Perlhuhn von einer Pute.“
Immerhin: Am 8. und am 9. September konnten alle interessierten Bürger wieder Kontakt zur lebendigen Natur aufnehmen. Da luden die Züchter zum Tag der offenen Tür, zur großen Kleintierausstellung und zur 30. Jungtierbewertung ein.
Martin Buske, der in der Anlage Wyandotten-Hühner, News Hampshire Hühner und Marans züchtet: „Bislang waren bei unserer Jungtierausstellung in jedem Jahr meist 300 Tiere von über 40 Ausstellern zu sehen. Im vorigen und in diesem Jahr haben wir nur Tiere von unseren eigenen Vereinsmitgliedern gezeigt. So konnten die Besucher nur 140 Tiere von 13 Ausstellern bestaunen. Es gab trotzdem 80 Geflügeltiere in 17 Rassen bzw. Farbschlägen und 60 Kaninchen in 12 Rassen zu sehen.“
Bevor die Besucher am zweiten September-Wochenende auf das Vereinsgelände strömten, waren aber vorher schon die unabhängigen Preisrichter zuwerke gewesen. Sie hatten die Aufgabe, alle Tiere streng nach vorliegenden Rassestandards zu bewerten. So konnten sich die Züchter dem Urteil stellen und zugleich überprüfen, wie gut ihre aktuellen Zuchttiere abschneiden. Für die besten Tiere hatten einige Lokalpolitiker Preise ausgelobt.
Vor allem die Kinder hatten viel Spaß daran, von Käfig zu Käfig zu huschen, um die Tiere in Augenschein zu nehmen. So mancher Wunsch nach einem neuen Haustier kam da auf. Martin Buske: „Wir verkaufen aber eigentlich keine Tiere bei der Ausstellung. Denn auch ein Huhn, das vielleicht beim Gutachter nicht alle Punkte erhält, kann noch ein super Legehuhn sein.“
Für die Kinder lag aber ein auf Papier vorbereitetes Wissensquiz parat, das der neugierige Nachwuchs mit den an den Käfigen bereitgestellten Informationen leicht lösen konnte. Für einen richtig ausgefüllten Bogen gab es ein Hühnerei zur Belohnung. Beim „Eiertrudeln“ konnten weitere Eier gewonnen werden. Sechs Würfe mit dem Würfelbecher kosteten 50 Cent. Das Geld kam der Vereinskasse zugute. Kurios übrigens: Der Kleintierzüchterverein zeigte Eier mit grüner und schokoladenbrauner Schale – die Kinder staunten.
Für die Besucher hatte der Kleintierzüchterverein ordentlich aufgefahren. Es gab Fassbrause aus dem Fass, Schmalzstullen und Saure Gurken – und der Grill wurde auch angeheizt. Der Besucherstrom war entsprechend groß. Viele Besucher suchten das Gespräch mit den Züchtern und ließen sich spannende Fakten über die ausgestellten Tiere erzählen. Wenn die Zwergenten das Gespräch zuließen, denn sie schnatterten und quakten, als gäbe es keinen Morgen. (Text/Fotos: CS)
Info: Kleintierzüchterverein 2002 e.V. Berlin-Zehlendorf (gegr. 1916), Sachtlebenstraße 56, 14165 Berlin
Dieser Artikel wurde in „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 54 (9/2018) veröffentlicht.
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