Onkel-Toms-Hütte: Tom war in Peru!
Immer mehr Menschen finden heraus, dass Kaffee so viel mehr zu bieten hat als das, was aus den großen, industriell betriebenen Röstereien kommt. Gerade in Deutschland gründen sich immer mehr kleine Röstereien, die handverlesene Kaffeebohnen schonend und mit ausreichend Zeit rösten, um auf diese Weise über 800 verschiedene Aromen zu entfalten.
Toms Kaffeerösterei in der Ladenstraße, die zum U-Bahnhof „Onkel Toms Hütte“ gehört, ist eine dieser Röstereien, deren Kaffeeproduktion übrigens deutschlandweit nur sechs Prozent vom Kaffeekonsum ausmachen (weltweit ist es nur ein Prozent). Vor Ort freut sich Thomas Schwarz auf seine Gäste. Die sind begeistert, in einer tollen Ladenkulisse die eine oder andere frisch zubereitete Kaffeespezialität probieren oder frisch geröstete Kaffeebohnen mit nach Hause nehmen zu dürfen.
Aber selbst ein ausgewiesener Kaffeeexperte kann noch etwas lernen. Und so folgte Tom im Juni der Einladung vom Wirtschafts- und Handelsbüro Peru (alias PromPerú) in Deutschland, zusammen mit acht weiteren Röstern nach Peru zu fliegen, um den Anbau und die Verarbeitung der edlen Bohne einmal vor Ort kennenzulernen und zu begutachten. Bei PromPerú handelt es sich um eine Einrichtung des Ministeriums für Außenhandel und Tourismus von Peru. So wird aus einer geschäftlichen Einladung ein echter Staatsakt.
Dass Peru Maßnahmen ergreift, um den angebauten Kaffee in Zukunft besser zu vermarkten, liegt auf der Hand. Nach Erdöl ist Rohkaffee das am meisten gehandelte Handelsgut weltweit.
Thomas Schwarz: „Wir sind in Lima, der Hauptstadt von Peru, gelandet. Obwohl viel Kaffee in Peru angebaut wird, gibt es in Peru keine richtige Kaffeekultur, wie wir sie aus Deutschland und aus Europa her kennen. Damit steht Peru aber nicht alleine da. In vielen Anbauländern wird wenig Kaffee getrunken. In Peru ist Tee noch viel beliebter.“
Am ersten Tag der Reise stand der Besuch von zwei Kaffeeröstereien auf dem Programm – der Finca „La Campina“ und der Rösterei „Bisetti“ im Stadtteil Barranco. Tom: „Vor Ort war erst einmal Cupping angesagt. So nennt man in der Kaffeebranche die Kaffeeverkostung. Dass es vor Ort Röstereien gibt, ist neu. Denn die Peruaner begreifen erst langsam, dass es für sie viel lukrativer ist, den Kaffee selbst zu rösten und zu verkaufen, als ihn roh zu niedrigen Preisen an die Kaffeeindustrie abzugeben. Die Peruaner produzieren – und das hat die Reise deutlich gezeigt – einen echten Spitzenkaffee, der noch dazu meist ökologisch angebaut wird. Diesen Kaffee an die großen Global Player zu verkaufen, die den Kaffee dann im Supermarkt anbieten, das sind für mich Perlen, die vor die Sau geworfen werden.“
Schon am zweiten Tag ging es mit dem Flugzeug weiter nach Jauja, das 200 Kilometer östlich von Lima liegt. Das ist eine Kleinstadt auf einer Höhe von 3.500 Metern über dem Meeresspiegel. In den Bergen besuchte Tom mit seinen Kollegen einen Bauern, der in der „Cooperative Agraria Cafetalera Pangoa“ organisiert ist. Die Mitgliedschaft in der Cooperative sichert dem kleinen Bauern relativ faire Erlöse beim Verkauf seiner Kaffeeernte.
Tom: „Es war faszinierend für mich, das erste Mal in einer Kaffeeplantage in dieser Höhe zu stehen. Der Bauer freute sich wie ein Schneekönig darüber, uns Experten aus Übersee seine Plantage zeigen zu können. Er erklärte uns den gesamten Erntevorgang seiner in Bio-Qualität gezogenen Kaffeekirschen. Durch die Höhe ensteht im Anbau ein milder bis mittelkräftiger und sehr aromatischer Kaffee, der oft mit schokoladigen, nussigen und fruchtigen Aromen aufwartet. Meiner Meinung nach ist die Höhe der entscheidene Faktor beim Kaffeeanbau. Geerntet werden die in einem roten Fruchtfleisch steckenen Kaffeebohnen, die an grünen Sträuchern wachsen, übrigens immer von Mai bis November.“
In der Provinz Chanchamayo besuchten die deutschen Kaffeeexperten mehrere Cooperativen. Höhepunkt war dabei der Besuch der „Finca Rosenheim“ in Villa Rica. Ein Schweizer Ehepaar hat hier vor 30 Jahren eine 40 Hektar große Kaffeefarm übernommen, die nach dem Bürgerkrieg verlassen war. Seither wird ein – laut Tom – absoluter Spitzenkaffee auf einer Höhe von 1600 bis 1900 Metern angebaut.
Thomas Schwarz: „Hier erfuhren wir, wie die Kaffeebohnen nach der Ernte weiter verarbeitet werden. Wir konnten hautnah miterleben, wie die Kaffeekirschen von den Erntehelfern gepflückt, gewogen, vom Kirschfleisch getrennt und gewaschen werden. Danach wird der Kaffee getrocknet. Anschließend gilt es, die Pulpe, eine Pergamenthaut, die die Kaffeebohnen umgibt, mit heißer Luft abzutrennen. Danach wird der Kaffee meist maschinell selektiert, in Säcke verpackt und verladen.“
Weiter ging es in Peru dann nach Tarapoto. Tom: „Dort nahmen wir an einer Gastronomie-Messe teil. Viele Kaffeebauern und Cooperativen stellten hier ihren Kaffee vor, sodass wir noch einmal verschiedene Sorten probieren konnten, bevor es nach über einer Woche in Peru wieder nach Hause ging. Für mich war das eine lebensverändernde Reise mit vielen neuen Eindrücken, die dafür gesorgt haben, dass ich das Thema Kaffee nun noch intensiver verstehen und für meine Kunden umsetzen kann.“
Übrigens sind die deutschen Kaffeeröster nicht mit leeren Händen nach Hause gekommen. Tom: „Natürlich haben wir jetzt auch peruanischen Spitzenkaffee eingekauft. Und das nicht nur aus Dankbarkeit für die einzigartige Reise und die unbeschreibliche Gastfreundschaft der Peruaner, sondern auch, weil wir hautnah miterlebt haben, wie die Bauern im Schweiße ihres Angesichts voller Leidenschaft ihre Kaffeepflanzen hegen und pflegen – und sie komplett von ihnen abhängig sind. Als ich ihnen erzählte, wo ich herkomme und dass unsere Kunden genau wissen möchten, wo ihr Kaffee herkommt, und dass sie möchten, dass es den Erzeugern und allen, die damit zu tun haben, gut geht, hatte ich sofort ihr Herz gewonnen.“ Und Tom ergänzt: „Neu bei uns im Programm ist nun der Kaffee Pacha Mama aus der Region Chanchamayo und Rodrigues De Mendoza aus dem Norden. Der Kaffee eignet sich besonders für Filter, Vollautomat oder die French Press – demnächst auch als Espresso. Er ist mild mit leichten schokoladigen Mandel- und Nussaromen sowie leicht fruchtig mit Maracuja- und Papayanoten.“ (Text: CS / Fotos: Thomas Schwarz)
Dieser Artikel wurde in „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 53 (8/2018) veröffentlicht.
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