Scheibes Kolumne: Noch mehr Erklärungen!
Die DSGVO ist da. Die Datenschutzgrundverordnung stammt zwar aus den Laboren der EU, wurde aber ganz sicher von urdeutschen Beamten erfunden und minutiös ausformuliert. Die Beteiligten bekommen angesichts dieses einzigartigen Bürokratiemonsters sicherlich noch immer eine Mischung aus Gänsehaut und feuchten Augen, …
… bietet die DSGVO doch nun die perfekte Gelegenheit dazu, die Wirtschaft mit seitenlangen Dokumenten, nichtverständlichen Gesetzen und überflüssigen Handlungen abwechselnd in den Wahnsinn und in den Ruin zu treiben.
Denn streng genommen muss nun jede entgegengenommene Visitenkarte mit der Übergabe einer ausgedruckten Datenschutzerklärung gekontert werden, die genau aufschlüsselt, wie die auf der Visitenkarte enthaltenen Daten weiter verwendet werden.
Findige Zukunftsforscher werden bleich, denn sie ahnen, dass dies erst der Anfang ist. Als nächstes steht die BAGV auf dem Plan, die Beziehungs-Absichtserklärungs-Grundverordnung. Wer sich einer Person annähert, um auszuloten, ob vielleicht eine gemeinsame Beziehung möglich wäre, muss noch vor den ersten Anmachsprüchen seine persönliche BAGV überreichen.
Das kann vor allem bei pubertierenden Teenagern kritisch werden, wenn da steht: „Ich werde versuchen, die weibliche Person, zu der ich in Kontakt treten möchte, in ein dunkles Kino zu locken, um sie dort mit überzuckertem Popcorn willenlos zu machen, um spätestens im letzten Drittel des Films Körperkontakt zunächst auf der Berührungsfläche der Lippen herzustellen. Anschließend könnte es zu Annäherungsversuchen dergestalt kommen, dass der Vater der weiblichen Person so weit erzürnt wird, dass er eine AKGZVPTV auspackt – eine Androhung-körperlicher-Gewalt-zur-Vertreibung-pubertierender-Teenager-Verordnung.“
Alles im europäischen Kosmos muss neu geregelt werden. Das gilt auch für die lieben Haustiere, vor allem dann, wenn sie mit der allgemeinen Bevölkerung in Kontakt treten.
Besonders umfangreich wird die UMHGV, die Umgang-mit-Haustieren-Grundverordnung. Streunende Katzen müssen deswegen einen Mikrofilm-Datensatz am Halsband mit sich führen. Da steht dann u.a.: „Diese Katze erklärt mit ihrer Anwesenheit, dass sie Ihren Garten ohne Anerkennung ihrer Besitzverhältnisse über die grüne Grenze betreten wird, um nächtelang Radau zu schlagen, um die Nester friedvoller Singvögel auszuräumen, um den Haushund zu mobben und um Häufchen im Buddelkasten der Kinder zu hinterlassen. Etwaige Schadensansprüche sind an die menschliche Bezugsperson zu richten. Deren Daten können aufgrund der DSGVO aber leider nicht an dieser Stelle hinterlegt werden. Sprechen Sie die Katze an, um mehr zu erfahren.“
Auch Einbrecher müssen sich an die neue deutsche Gründlichkeit in bürokratischen Fragen halten. Am Tatort haben sie eine GAE zu hinterlegen, eine Ganoven-Absichtserklärung. Da heißt es dann schon einmal: „Ich, Ganove X, erkläre hiermit, das im folgenden aufgelistete Fremdeigentum an mich genommen zu haben, um es im Ausland zu veräußern. Ich erwarte einen Umsatz von X Euro mit dem Verkauf zu machen, den ich auch nicht versteuern werde.“
Man munkelt, dass erste Versicherungen keinen Schaden aus Einbruch mehr ersetzen, wenn nicht eine passende GAE vorgelegt wird. Manche Hausbesitzer legen deswegen schon eine Blanko-GAE bereit – nur für den Fall, dass sie von einem Einbrecher heimgesucht werden.
Natürlich brauchen wir von der Zeitung auch eine IVV – eine Informations-Vermittlung-Vorwarnung. Da heißt es dann: „Durch die Lektüre der Zeitung könnte es zur Übermittlung von Wissen und Informationen kommen, was dazu angetan ist, das persönliche Verhalten des Lesers im Alltag zu manipulieren – etwa, was die Auswahl von Restaurants für die abendliche Speiseneinnahme anbelangt.“
Wir können uns jetzt aber auch nicht länger mit der Thematik beschäftigen. Nein, keine Angst, es stehen keine weitere Verordnungen an. Wir müssen nur noch die Gebrauchsanweisung für den Shredder lesen, mit dem wir den ganzen DSGVO-Papierkram vernichten können. (Carsten Scheibe, Foto oben: Tanja M. Marotzke)
Dieser Artikel wurde in „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 51 (6/2018) veröffentlicht.
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