Forstamt Grunewald: 100 Kilo Wildschwein
Da, wo ein Baum steht, da ist Wald. Und alles, was von Wald umgeben ist, ist auch Wald. So sagt es das Waldgesetz, das noch ein Überbleibsel der alten germanischen Rechts ist. „Da, wo Bäume stehen, hat das Waldrecht Vorrang, z.B. auch auf Bauerwartungsland“, sagt Elmar Kilz (63). Er ist der Leiter vom Forstamt Grunewald und zuständig, wenn es um die Wälder im Südwesten Berlins und der Umgebung geht.
Denn das Forstamt Grunewald, das der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz untersteht, verwaltet alle Wälder von der Heerstraße bis zur südlichen Stadtgrenze und verläuft darüber hinaus von der Parforceheide bis Siethen (Ludwigsfelde) im Bundesland Brandenburg. Die sechs Revierförstereien verwalten eine Fläche von knapp 6.000 Hektar in drei Bundesländern (Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt) mit vielen Erholungsmöglichkeiten.
Elmar Kilz: „Zu unseren Liegenschaften gehören damit auch die Nikolskoer Landpartie mit der Kirche Peter und Paul, Paulsborn, die Pfaueninsel, der Glienicker Park, das Chalet Suisse und der Grunewald. In unserer Verwaltung ist auch der einzige Selbstmörderfriedhof Deutschlands an der Havelchaussee. Und wir überwachen das größte Hundeauslaufgebiet Deutschlands am Grunewaldsee – mit zusammen 750 Hektar Fläche. Auch die Havelstrände gehören zu unserem Gebiet – mit Ausnahme vom Strandbad Wannsee.“
Zu den Aufgabenbereichen des Forstamtes und der sechs angeschlossenen Revierförstereien gehören neben der Verwaltung der Liegenschaften auch die Waldarbeit, die Pflege der Wälder und die Jagd.
Vor allem die Wildschweine sind immer wieder ein großes Thema im Forstamt. Elmar Kilz: „Wildschweine sind sehr intelligente Tiere. Mit den Spaziergängern, die auf den Wegen bleiben, haben sie keine Probleme. Gefährlich wird es für die Menschen eher, wenn sie die Wege verlassen und querfeldein durch den Wald laufen – etwa auf der Suche nach Pilzen. Die Wildschweine haben zwar einen starken Eigengeruch. Leider riecht man ihn erst dann, wenn es eigentlich schon zu spät ist und man bis auf zehn Meter an die Wildschweine herangekommen ist. Gegen 100 Kilo Wildschwein kann man leider nichts ausrichten, zumal die Schweine auch noch viel schneller laufen können als wir. Gefährlich ist es auch, sich zwischen Wildschwein und Hund zu stellen, wenn es zwischen den beiden zu einem Kampf kommt. Ich kann mich an eine Frau mit einem Oberschenkeltrümmerbiss erinnern, die nun im Rollstuhl sitzt. Da sollte man schon Respekt haben.“
Eine interessante Information hat der Waldexperte, wenn es um nächtliche Fahrten mit dem Auto durch den Wald geht – etwa an der oberen Onkel-Tom-Straße oder im Hüttenweg: „Möchte man einen Wildunfall vermeiden, sollte man nicht schneller als 50 Stundenkilometer fahren. Denn der schnellste Feind des Wildschweins ist der Wolf – und der ist maximal 50 Kilometer in der Stunde schnell. Diese Geschwindigkeit kann das Wildschwein instinktiv richtig einschätzen – und sich entsprechend verhalten. Bei höheren Geschwindigkeiten ist dies nicht mehr der Fall. Wir zählen zurzeit etwa 80 Wildautounfälle im Jahr.“
Laut Elmar Kilz hat sich das „Fuchsthema“ in Berlin wieder beruhigt: „Die Leute sind aber auch selbst Schuld, wenn sich der Fuchs so stark vermehrt. Es ist einfach zu leicht für den Fuchs, sich in der Stadt zu ernähren. Der Wolf ist auch kein Thema – er ist in der Stadt nicht präsent. Dafür ist dem Wolf die Besiedlung in Berlin zu eng.“
Der Wald in Berlin sei kein Nutzwald, in dem es primär um die Holzgewinnung gehe. Stattdessen sei er ein Naherholungsgebiet – mit 50 bis 100 Millionen Waldbesuchen im Jahr. Elmar Kilz: „Bei einem solchen Ansturm auf unsere Wälder ist es wichtig, die Besucher so zu lenken, dass sie sich gegenseitig nicht schaden. In Berlin haben wir die Reiter so dazu angehalten, bitte nur die ausgewiesenen Reitwege zu benutzen. Die müssen wir dafür natürlich auch in einem guten Zustand halten und etwa von tiefhängenden Ästen befreien. Um dies zu finanzieren, geben wir Reitwegemarken aus. Diese kosten 70 Euro im Jahr. Im Schnitt 300 Reiter nutzen diese Reitmarken.“
Viele Tiere und Pflanzen sind inzwischen in Berlins Wäldern anzutreffen, die hier nichts zu suchen haben. Dazu zählen Waschbär, Mink und Marderhund bei den Tieren und Goldrute und die amerikanische Traubenkirsche bei den Pflanzen. Elmar Kilz: „Die Traubenkirsche reißen wir aktiv aus. Besorgt sind wir über die zunehmende Verbreitung der auffällig gezeichneten Auwaldzecke. Sie überträgt die Erreger für die Babesiose, die für Hunde tödlich verlaufen kann.“
Die Qualität des Berliner Waldes ist übrigens extrem hoch. Die Berliner Forsten haben das FSC- und das Naturland-Zertifikat erhalten, was eine echte Besonderheit ist. Elmar Kilz: „Zehn Prozent unserer Wälder sind inzwischen als Stilllegungsfläche ausgewiesen, hier findet keine Forstarbeit mehr statt. Das ist wichtig für seltene Insekten wie den Eremit oder den Eichenheldbock. Letzter braucht sechs Jahre Entwicklungszeit im Totholz. Richtig ordentlich aufgeräumte Wälder wie früher wird es nicht mehr geben.“
Wer möchte, kann aber gern auf dem Boden liegendes Bruchholz im Wald sammeln – für den eigenen Kamin. Das kostet 10 Euro für einen Sammlerschein.
Da die Jäger zurzeit sehr viele Wildschweine schießen, um einer Ausbreitung der sich nähernden Afrikanischen Schweinepest vorzubeugen, sind die Kühlräume im Forstamt Grunewald bis zum Anschlag gefüllt. Elmar Kilz: „Wildschweine geben wir zurzeit komplett mit Haut und Haaren für 1,50 Euro das Kilo ab.“ (Text / Fotos: CS)
Info: Forstamt Grunewald, Koenigsallee 82, 14193 Berlin, Tel.: 030-895381-0 (Sprechstunde Di 14-17 Uhr)
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