Dahlem: Mit dem Stadtführer auf dem Friedhof
Manchmal lohnt es sich, genauer hinzusehen. Einer, der dies tut, ist der Stadtführer Ulrich Thom (63). Zusammen mit seiner Frau Hildegard (69) lädt er regelmäßig zu thematischen Führungen durch die lokale Historie in Zehlendorf und der Umgebung ein. Eine der Exkursionen führt über den Waldfriedhof Dahlem, der vom Hüttenweg aus zu erreichen ist.
Ulrich Thom: „Der Waldfriedhof Dahlem wurde 1931 bis 33 als Parkfriedhof angelegt. Zwei sich kreuzende Fichtenalleen führen durch einen der schönsten Friedhöfe Berlins mit 75.400 Quadratmetern Fläche und verschiedenen Höhenplateaus. Hier liegen überraschend viele Prominente begraben, darunter auch Richard von Weizsäcker, Josef Paul Kleihues, Erich Mühsam und sogar Günter Schabowski. Ich führe die Gäste unserer Stadttour über den Friedhof und meine Frau erzählt zu jeder Person etwas, was wir im Rahmen unserer Recherchen herausgefunden haben.“
Dolle Geschichten haben die beiden Stadtführer in petto. Bernd Rosemeyer, 1938 gestorben, war etwa einmal der berühmteste deutsche Rennfahrer der Vorkriegsgeschichte. Er war der erste, der auf einer normalen Verkehrsstraße in einem Auto über 400 Stundenkilometer schnell gefahren ist. Verheiratet war er mit der Fliegerin Elly Beinhorn, die ebenfalls in Dahlem beerdigt ist, und die 100 Jahre alt geworden ist, während Rosemeyer bereits in jungen Jahren bei einem Unfall gestorben ist: Bei Tempo 440 erfasste ihn ein Seitenwind, drängte ihn mit seinem Auto von der Straße – er war sofort tot.
Zwei Stunden dauert die Tour über den Friedhof, die immer wieder pausiert, um an dem einen oder anderen Ehrengrab innezuhalten. Sofort blättert Hildegard Verlage ihren mitgeführten Ordner an der richtigen Stelle auf. Und Ulrich Thom hebt den Finger, um auf sich aufmerksam zu machen, um die Rede seiner Frau kurz zu unterbrechen und um auch noch eine Anekdote beizutragen.
Übrigens: Auch der beliebte und unvergessene Berliner Schauspieler Harald Juhnke liegt vor Ort begraben. Auf seinem Grab steht eine Rose, die ein Fan in einer leeren Whisky-Flasche als Vase aufgestellt hat. Gleich um die Ecke ist das Grabmal von Gottfried Benn zu finden. Der berühmte deutsche Dichter (und Arzt) schrieb 1917 Zeilen aus der Leichenhalle: „Morque und andere Gedichte“.
Keine Frage: Die zwei Stunden gehen schnell vorbei und am Ende hat man vieles gelernt und erfahren, was die investierte Zeit mehr als wert war. Neue Führungen mit Ulrich Thom (www.berlinsicht.de) gibt es am 8. Januar (Dahlem: wohnen, studieren, forschen), am 14. Januar (Prominente Persönlichkeiten auf dem Waldfriedhof Dahlem) und am 15. Januar (Prominenz auf dem Waldfriedhof Zehlendorf) – jeweils ab 11 Uhr. (Text/Fotos: CS)
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