Scheibes Kolumne: In der Fahrschule
Mein eines Kind macht Führerschein. Mit Begeisterung. Und mit beiden Händen brav am Lenkrad. Ach, was mache ich auf einmal alles falsch. Ich bremse viel zu spät, wenn die Ampel auf Orange umschaltet. Ich mache viel zu selten den Schulterblick. Weiß ich denn gar nicht, dass der andere Vorfahrt hat?
Was will mir das Küken da eigentlich erzählen? Seit 30 Jahren fahre ich Auto – und das bis auf Kleinigkeiten unfallfrei. Ich bin doch der, der sich auskennt. Oder? Also bitte ich meine Tochter, mir doch bitteschön mal ihr Handy zu geben mit der Übungs-App für die theoretische Prüfung. Ich lasse mir die Fragen zeigen, die zu meiner Zeit noch auf gedrucktem Papier die Runde machten. Souverän tippe ich die Antworten in das Gerät, grimmig grinsend ob des nahenden Triumphes. Da wird das Kind aber staunen, wenn ich alle Fragen aus dem Effeff beantworten kann. Am Ende habe ich 33 Fehlerpunkte – und das Kind jammert, ich hätte ihr den Durchschnitt versaut.
Ich gehe in mich. Bin ich denn noch ein guter Fahrer? Okay, ich lenke meinen Wagen meist mit nur einem Finger am Lenkrad. Ich höre gern laut Musik im Auto. Ich schimpfe mit großer Lust auf alle anderen Verkehrsteilnehmer und belege sie mit selbsterfundenen Schimpfwörtern (die sie zum Glück nicht hören können). Und ich stelle fest, dass ich mit zunehmenden Alter im Dunkeln nicht mehr gut sehen kann und da auch im Auto die Orientierung verliere, weil alles fremd aussieht. Aber dafür habe ich ja ein Navisystem. Das bringt mich immer wieder nach Hause.
Probleme habe ich nur mit der Geschwindigkeit. Moderne Autos schweben bei 50 so mühelos und lautlos über den Asphalt, das man glauben könnte, der Wagen steht still. Und so kann ich gar nicht glauben, was mir die Fotos der Blitzerkontrollen zeigen wollen: Dass ich angeblich zu schnell unterwegs war. Meine Tochter weiß auch dagegen ein Wundermittel der Prävention: Die runden Verkehrszeichen mit den Zahlen würden einen geheimen Zifferncode verbreiten. Würde man sich an diesen halten, gäbe es keine Blitzerfotos mehr und kein Polizist dieser Welt würde sich meinen Führerschein einmal für einen Monat ausborgen wollen. Na, schauen wir einmal.
Während das Kind bei Matsch und Schnee, bei Kälte und bei Regen, zu dunkler Nacht und bei strahlendem Sonnenschein durch das Havelland brettert, um mit 17 vorzeitig die Fahrerlaubnis zu erlangen, denke ich an meine eigene Fahrschulerfahrung zurück.
Es war keine angenehme Zeit. Mein Fahrlehrer roch damals immer intensiv nach saurer Leberwurst, was ihn nicht davon abhielt, bei jedem meiner Fehler sofort ein Anhalten zu erzwingen, um mir dann in einer überschwänglichen pastoralen Phase Vorträge über das richtige Verhalten im Straßenverkehr zu halten.
Der Prüfer, der alsbald hinten ins Auto kroch, war keinen Deut besser. Ich weiß noch, wie ich nervös in die morgendliche Sonne fuhr, geblendet wurde, den Sichtschutz herunterklappte, nix mehr sah, weil er die Sicht blockierte, und ihn wieder nach oben klappte. Worauf der Fahrlehrer grantig einwendete: „Herr Scheibe, das ist doch kein Ventilator.“
Das Einparken, das ich selbst heute noch nicht gut beherrsche und das mich in jedem Parkhaus und in jeder eng zugeparkten Straße zum Schwitzen bringt, konnte ich in der Führerscheinprüfung gut hinter mich bringen. Ich scheiterte dann auf dem Zubringer zur Autobahn, auf dem ich einfach stehenblieb, weil ich keine Lücke im Autobahnverkehr fand. Naja, aller guten Dinge sind zwei. Auch bei Prüfungen.
Nun soll das Kind mit 17 Jahren den Führerschein machen – und ich der Begleiter bis zum 18. Geburtstag sein. Und dann wird mir der ganze Spaß genommen. Der Fahrlehrer ermahnt mich, nur ja nicht auf die Idee zu kommen, dass ich nun ein Hilfsfahrlehrer bin. Ich soll ruhig, aufmerksam und hilfreich sein. Dabei hätte ich so viel Wissen weiterzugeben und hatte mich auf so viele stundenlange und einseitige Vorträge beim Fahren gefreut. (Text: Carsten Scheibe)
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