Dichterkunst in Steglitz: Poetry Slam
Wettkämpfe müssen nicht zwingend auf dem Sportplatz ausgetragen werden. Beim Poetry Slam treten Autoren lieber mit der Kraft ihrer eigenen Worte an, um die Gegner im Kampf um die Gunst der Zuhörer mit schlauen Texten auf die Plätze zu verweisen.
Im Café GM 26, nur einen Steinwurf von der Schloßstraße entfernt, wurde nun im Juni der allererste Steglitz Slam veranstaltet. Bei bestem Wetter fand sich am Ende im bestuhlten Innenhof des Cafés kein einziger freier Platz mehr: Die Veranstaltung war restlos ausverkauft.
Acht Slammer traten in drei Gruppen an, um in maximal fünf Minuten ihre selbstgeschriebenen Texte vorzulesen. Das Publikum lauschte ergriffen den oft launig-humorigen Vorträgen, in denen es u.a. um die schreckliche männliche Erkältung (heißt ja ERkältung und nicht SIEkältung), um die Verherrlichung von Bier, um die irritierend vielfältige Auswahl von Gewürzen im Supermarktregal und um den Zusammenhang von Frauensport und Nutellawerbung im Fitnessstudio ging: „Ist das nun Schweiß oder Speichel, den die Frauen da absondern?“
Nach jeder Gruppe klatschten die Zuschauer für die einzelnen Slammer – und sorgten so für einen eindeutigen Gewinner. Die drei Sieger traten nach einer Pause mit Grillwürstchen und Bier in einer zweiten Runde an, um unter sich den Sieger des Slams auszumachen.
Organisiert wurde der erste Steglitz Slam von Janna Kienbaum und Vanessa Bahlecke, die zum Verein KUNST.RAUM.STEGLITZ. e.V. (www.kunstraumsteglitz.de) gehören: Die Mädels versuchen, noch im Herbst einen Steglitz Slam zu veranstalten.
Sven Breitenstein hatte als Moderator gar nicht so viel Arbeit damit, sein Publikum auf Puls zu bringen. Gut und gern 250 Zuschauer warteten am 14. Juni auf Bänken, auf Stühlen und in Liegestühlen im Innenhof des Steglitzer Szene-Cafés GM 26 darauf, dass die ersten Poetry Slammer auf die Bühne drängten.
Beim Poetry Slam treten normalerweise meist Schüler gegeneinander an, um selbstgeschriebene Texte vorzutragen – kauzige Glossen, irrwitzige Monologe, tiefgründige Gedichte oder was auch immer sich in einen fünfminütigen Vortrag zwängen lässt.
Beim ersten Steglitz Slam lag das Durchschnittsalter der Vortragenden allerdings deutlich höher. Viele der Slammer waren denn auch bekannte Berliner Autoren, die ihre bereits in Verlagen veröffentlichten Textsammlungen gleich vor Ort zum Kauf anboten. Unter den acht Vortragenden des Abends gab es aber auch einige Slammer, die zum allerersten Mal mit Lampenfieber auf die Bühne drängten. Dass das Profitum der Autoren beim Slam nicht über Sieg und Niederlage entschieden hat, ist sicherlich ein wichtiges Spannungsmoment des Abends gewesen.
Den Slam eröffnete als „Featured Act“ Autor Clint Lukas, der als Anheizer die Zuhörer auf das Kommende einstimmen durfte, ohne selbst in die Wertung zu gelangen.
In drei Gruppen ging es dann wortgewaltig weiter. Michael André Werner monierte sich über die Vielzahl komischer Gewürze, die im Supermarkt im Regal stehen. Er vermisste in der Auswahl noch das Zucchini-Gewürz, das macht, dass alle Speisen nach gar nichts mehr schmecken. Jean Michel Dumler trug als jüngster Autor des Abends ein Gedicht vor. Und Michael Bittner ließ sich überaus vergnüglich über scheußliche Kosenamen bei der Taufe der eigenen Liebespartner aus: „Wer seinen Partner Schatz nennt, will ihn anscheinend an einem geheimen, dunklen Ort vergraben.“ Damit gewann er auch die erste Applaus-Analyse.
In der zweiten Gruppe macht Philipp Löffel den Starter. Er referierte über den gefürchteten Männerschnupfen und machte daraus „die Periode des Mannes“. Karolin Rolle konnte da nicht mehr so richtig mithalten. Überraschend gewann in Gruppe 2 aber die Erst-Slammerin Susanne Riedel (Foto unten), die sehr vergnüglich und sichtbar schockiert über ihren Erstbesuch beim Lach-Yoga referierte.
Vivian Yurdakul und M.F.S. konnten in Gruppe 3 nicht mit den starken Texten der ersten Slammer mithalten. M.F.S. gewann zwar das Duell, konnte aber im Finale nur noch Platz 3 für sich klarmachen. Völlig zu Recht gewann Novizin Susanne Riedel mit ihrer Anti-Fitness-Beichte: „Wäre Griechenland eine Chipsfabrik, gäbe es Hoffnung.“ (Fotos/Text: CS)
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