Scheibes Kolumne: Von nix kommt nix
Geld regiert die Welt. Als Schüler und Student wollte ich immer welches haben. Das führte zu einigen sehr kuriosen Jobs. In meiner Schulzeit fing es an: Ich war Friedhofsgärtner. Hier ging es vor allem darum, den Friedhof in Schuss zu halten. Während meine Kumpels aber mit dem Gartenschlauch alte Gräber einebneten, kam ich in die Truppe, die an Hausverwaltungen in der Umgebung vermietet wurden.
Da ging es dann darum, staubtrockene Hinterhöfe zu begrünen, Rasen zu mähen und Unkraut zu zupfen. Die Bezahlung war super. Allerdings brachte mich mein Heuschnupfen um.
Ich musste also umsatteln – und wurde Zettelverteiler am Ku‘damm. Vier Stunden am Stück ging es an den Nachmittagen darum, Flyer für einen Second-Hand-Laden zu verteilen – vor dem Wasserklopps am Europacenter. Ein Premium-Standort. Ich kannte bald jeden Punker, jeden Hutverkäufer, jeden fliegenden Händler. Und jeden Tag gab‘s 40 D-Mark Cash auf die Hand, ohne Steuerkarte, ohne Vertrag – ein toller Job.
Im Studium heuerte ich auf dem Bau an. Mein erster Tag, fünfter Stock, kein Fahrstuhl. Ich lachend zu den Bauarbeitern: „Welcher Depp soll denn die ganzen Zementsäcke hier hochschleppen, die da unten palettenweise im Dreck stehen?“ Betretenes Schweigen. Ich hab‘s dann schnell kapiert. Und jahrelang gebuckelt, bis die Bandscheiben quietschten. Das krasseste Erlebnis: Eine Zwischendecke in einem Haus rausreißen, deren Hohlräume mit Kohle gefüllt waren. Ich brauchte drei Badewannen, um wieder sauber zu werden. Und am Ende schwebte ein Zettel zu Boden. Da stand handschriftlich drauf: „Diesen Scheiß baute Firma XXX im Jahre 1958.“
Dann bekam ich etwas weniger Anstrengendes zu tun: Ich wurde Mädchen für alles für ein Design-Zentrum am Berliner Ku‘damm. Kurios: Ich war der einzige Kerl unter lauter Frauen. Und das bekam ich manchmal auch zu spüren: „Ihr Kerle seid doch alle gleich!“ Manchmal musste ich tausende Einladungen eintüten, durch die Frankiermaschine jagen und zur Post bringen. Dann ging es darum, Design-Ausstellungen in der Hochschule der Künste zu bewachen. Da kamen manchmal so wenig Gäste, dass ich pro Tag ein ganzes Buch lesen konnte. Bezahlt natürlich. Das fand ich super.
Ein Freund holte mich an die Uni. Ein Homöopathie-Professor plante die Herausgabe eines dicken internationalen Fachmagazins über „Ultra Low Dosis Homeopathy“. Wir sollten die vorhandenen Studien in den PC tippen, sie layouten und alles für den Druck vorbereiten. Wenn man sich das Magazin heute ansieht, würde man nicht glauben, dass wir es tatsächlich mit Word für DOS gestaltet haben. Das Layout war hochprofessionell – die Inhalte meiner Meinung nach weniger. Da ich zur gleichen Zeit Bakteriengenerik studierte, schlossen sich viele Diskussionen mit dem Professor an – über Doppel-Blind-Studien, Chi-Quadrat-Tests und die irre Idee, dass man eine Wirksubstanz so lange verdünnt, bis nach Avogadro kein einziges Molekül der Wirksubstanz mehr vorhanden sein kann.
Ich sattelte bald um und wurde Tutor für Mediziner im ersten Semester, die einen Schein in Mikrobiologie brauchten. Hier sollten die Studenten eine Nährbodenplatte zuhause an irgendetwas halten, um dann im Labor zu überprüfen, wie viele Bakterien und Pilze wohl am ausgewählten Standort vorhanden waren. Daraufhin mussten wir einen der Studenten dazu zwingen, seine Unterhose in die Hochdruckkochanlage (=Autoklav) zu packen, um die hier offengelegten Bakterienkulturen so schnell es geht zu vernichten.
Nach der Uni machte ich mich selbstständig mit einem Redaktionsbüro – und brauchte in der Anfangszeit noch ein wenig Starthilfe. So wurde ich u.a. PC-Lehrer für polnische Aupair-Mädchen und Briefeschreiber für einen Zehlendorfer Anwalt. Ich war männliche Stand-Hostess auf der CeBIT und einmal sogar Exkusionsleiter für hochbegabte Kinder, denen ich im Berliner Forst die Natur erklären sollte. Immerhin gelang es mir sehr schnell, in den Kindern die Begeisterung für Mistkäfer, Raupen und Eidechsen zu wecken. Zur Freude der Eltern, die den hyperaktiven Nachwuchs am Ende wieder einsammeln musste. Die Kinderbespaßung strengte mich übrigens so sehr an, dass ich danach 16 Stunden am Stück durchschlief. (CS)
Seitenabrufe seit 24.05.2015:
Sie haben eine Artikelidee oder würden gern eine Anzeige buchen? Melden Sie sich unter 03322-5008-0 oder schreiben eine Mail an info@zehlendorfaktuell.de.
Anzeige