In Berlin gesehen: Körperwelten
Dr. Gunter von Hagens hat ein wissenschaftliches Verfahren entwickelt, um den menschlichen Körper für die Ewigkeit zu erhalten. Bei der Plastination entsteht sozusagen ein Kunststoffabbild von einzelnen Organen oder gleich vom ganzen Menschen. Viele feiern von Hagens für seinen detailversessenen Blick unter unsere Haut, andere halten seine Zurschaustellung der plastinierten Körper für Blasphemie und Gotteslästerung.
Ungeachtet dessen haben seine Ausstellungen mit dem Thema „Körperwelten“ großen Erfolg – und das in der ganzen Welt und bereits seit vielen Jahren.
In Berlin wurde nun das „Menschen Museum“ (www.MeMu.berlin) eröffnet – direkt am Alexanderplatz am Berliner Fernsehturm. Dr. Angelina Whalley hat als Kuratorin über ein Jahr an der Konzeption der permanenten Ausstellung gearbeitet, die auf einer Fläche von 1.200 Quadratmetern zu bestaunen ist: „Im Menschen Museum sind etwa 200 Teil- und 20 Ganzkörperplastinate zu sehen, die die Komplexität des menschlichen Körpers, aber auch seine Verwundbarkeit deutlich machen sollen.“ Gegliedert ist die Ausstellung in verschiedene Themenfelder wie „Ernährung“ oder „Bewegung“.
Auch im Menschen Museum zeigt sich wieder: Die Ganzkörperplastinate sind durchaus diskussionswürdig. Darf man einen menschlichen Körper zeigen, wie er einen Bogen spannt oder die Weltkugel trägt? Ist das noch Wissenschaft oder doch nur eine plakative Inszenierung? Immerhin handelt es sich bei allen Plastinaten um echte Menschen, die ihren Körper nach ihrem Ableben der Wissenschaft gespendet haben.
Für den Besucher weniger schockierend, aber ungleich spannender sind die vielen Teilkörperplastinate. Sie werden ausgiebig von wissenschaftlichen Texten erläutert, die neben den Exponaten zu finden sind. Hier hat man einmal die Gelegenheit, eine Fettleber unter die Lupe zu nehmen, sich eine Raucherlunge anzuschauen oder ein Krebsgeschwür mit Metastasen zu untersuchen.
Viele Besucher erfahren so tatsächlich mehr über ihren eigenen Körper – und beschliessen vielleicht, nach dem Besuch der Ausstellung mit dem Rauchen aufzuhören.
Beeindruckend für uns: ein riesiger gläserner Kasten, der mit abermillionen Reiskörnern gefüllt ist. Darunter ein einziges Korn direkt an der Glasfront, das rot gefärbt ist. Es soll Selbstvertrauen wecken, denn jeder Mensch, der diese Inszenierung betrachtet, hat bereits das wichtigste Rennen seines Lebens gewonnen: aus Milliarden Samenzellen war es die eine, das rote Reiskorn, die das Rennen zur Eizelle gemeistert und damit das eigene Ich gezeugt hat.
Das Museum ist täglich bis 19 Uhr geöffnet – auch am Wochenende. Erwachsene zahlen 14 Euro Eintritt. (Fotos: Dirk Lässig / Text: CS)
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