Scheibes Kolumne: Der weibliche Imperativ
Manchmal schauen die Frauen uns Männer wortlos mit diesen großen, weit aufgerissenen Augen an. Wir Männer denken dann mitunter ganz verzückt, das sieht aber niedlich aus. Tatsächlich ist genau dies aber wieder ein treffendes Beispiel dafür, dass Männer und Frauen keinen gemeinsamen Nenner bei der Kommunikation finden. Das ist dann leider so, als wolle sich ein Koalabär mit einem Kaktus unterhalten.
Denn in Wirklichkeit möchten die Frauen nicht süß aussehen. Sie warten. Und warten. Und warten. Sie reißen erwartungsvoll die Augen auf – und warten weiter darauf, dass die Männer endlich verstehen, was sie eigentlich gerade gesagt haben. Das bedeutet: Die Worte einer Frau haben eine geheime Zusatzbedeutung. Die Frau kann nicht verstehen, dass der Mann Unausgesprochenes nicht richtig deutet. Er versteht keine Spitzen, keine Veränderungen in der Tonlage, keine versteckten Aufforderungen, ja nicht einmal den berühmten Wink mit dem Zaunfall.
Wenn ein Mann seine Frau fragt: „Schatz, bist du noch beleidigt?“ und sie sagt „Nein“, dann ist für ihn der Fall erledigt. Alles klar, dann kann er ja wieder Fußball gucken, einmal mehr mit den Jungs um die Häuser ziehen oder noch mehr Geld ins Hobby investieren.
Wie unterschiedlich Frauen und Männer denken und sprechen, das zeigt sich an einem Beispiel. Ich nenne diese Denkweise der Frauen immer gern den „weiblichen Imperativ“.
Man stelle sich vor: Mann und Frau stehen in der Küche, sie sagt zu ihm: „Du, der Müll ist voll.“ Er schaut kurz in die Ecke mit dem Müll und stellt fest: Tatsache, das stimmt.
Eine Stunde später ist sie beleidigt, denn der Müll steht noch immer in der Küche. Sofort beginnen die lautstark vorgebrachten Vorwürfe: Nie bringt der Mann etwas zu Ende, nie packt er mal mit an, soll sie denn alles alleine machen? Der Mann fühlt sich von diesem Angriff kalt erwischt: Wo kommt denn diese Aggressivität auf einmal her? Fragt er nach, bekommt er dieses merkwürde Temporalkonstrukt um die Ohren geschlagen: „Du wolltest doch den Müll rausgebracht haben!“
Das stürzt den Mann erst recht in die Verwirrung. Wann hat er das denn gesagt? Nie im Leben. Und da kommen wir wieder zurück zu den weit aufgerissenen Augen und auf das Warten.
Denn die Frau sagt: „Du, der Müll ist voll.“ Meint aber: „Bring ihn raus. Sofort. Jetzt. Keine Widerworte.“
Das kommt eben nur beim Mann nicht an, weil beide Geschlechter nicht die gleiche Sprache sprechen. Für den Mann hat die Frau nur eine Tatsache ausgesprochen, ähnlich wie „Du, es regnet gerade“. Oder „Es ist kein Geld mehr auf dem Konto“. So ein Satz klingt unverfänglich, eigentlich müsste man da doch gar nichts falsch machen können als Kerl.
Wichtig ist es demnach, den weiblichen Imperativ in einfachen Feststellungssätzen zu erkennen. „Der Mann von der Susanne ist letztens mit ihr Salsa tanzen gegangen“ ist eine ähnliche Falle. Der weibliche Imperativ besagt auch hier: „Geh mit mir tanzen. Noch heute. Und definitiv häufiger als der Mann von Susanne. Sonst mach ich dir das Leben zur Hölle.“
Ebenso wie das Kind mit der Hand auf die Herdplatte fassen muss, um zu begreifen, dass das sehr schmerzhaft sein kann, so muss auch der Mann durch Versuch und Irrtum lernen, die geheimen Untertöne der weiblichen Sprache zu erlernen. Am schnellsten erkennt er es, wenn es um die eigenen Bedürfnisse geht. „Schatz, ich habe Kopfschmerzen“ oder „Ich bin müde, ich will schlafen“ heißt in der Tat: „Heute ist nix mit Löffelchen, geh auf deine Seite vom Bett, du Esel.“
Spätestens nach zwanzig oder dreißig Abfuhren hat der Mann auch das gelernt. Das ist doch immerhin schon ein Anfang. Wir Männer sind ja nicht ganz dumm. (Carsten Scheibe)
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